Eisenbahn im Film  –  Rail Movies 
 

 

 

 

In den Kulissen von „Old Tucson“

Von Manuel Gurtner

 

1939 lieferte Clarence Budington Kelland mit seinem Roman „Arizona“ gleich auch die Drehbuch-Vorlage für den gleichnamigen Spielfilm, welcher 1940 von „Columbia Pictures“ mit Jean Arthur (als Phoebe Titus) und William Holden (als Peter Muncie) in den Hauptrollen produziert wurde. Vorgängig begab sich Wesley Ruggles – der oscarprämierte Regisseur von „Cimarron“ (1930) – am Originalschauplatz auf die Suche nach geeigneten Drehorten und wurde schließlich in einem Tal – rund 24 Kilometer von Tucson entfernt – fündig, wobei das entsprechende Gebiet des „Pima County“ am Horizont kinematographisch perfekt durch die Bergflanke des „Sentinel Peak“ begrenzt wurde.

„Columbia“ bugdetierte für die aufwendige Verfilmung von Kellands „Arizona“ 2,3 Millionen US-Dollar, derweil alleine für die komplette Rekonstruktion des historischen Tucson von 1860 rund 250 000 US-Dollar veranschlagt waren. Die Bauarbeiten wurden am 22. Juli 1939 unter der Leitung von Robert Shelton in Angriff genommen, wofür 300 Bauarbeiter, 180 Zimmerleute sowie 120 Maurer angeheuert wurden. Während knapp eineinhalb Monate stampfte man im Zweischichtbetrieb „Old Tucson“ mit gegen 50 Gebäulichkeiten aus dem Wüstenboden, wobei um die 350 000 Lehmziegel verbaut werden mussten. Nach Abschluss der Dreharbeiten Mitte Juni 1940 wurde die Kulissenstadt unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges jedoch nicht weiter verwendet – außer für „The Bells of St. Mary's“ (1945) mit Bing Crosby – und verfiel in der Folge zunehmend.

Filmstadt für einen Dollar

1946 mietete die „Tucson Junior Chamber of Commerce“ (Jaycees) das brachliegende Filmgelände für einen symbolischen Dollar pro Jahr. Um die Produktion wieder anzukurbeln, wurden die witterungsbedingten Schäden an den Gebäulichkeiten notdürftig behoben, zusätzlich ein neuer „Jail“ gebaut und die ganze Kulissenstadt mit einem Abwassersystem und zwecks elektrischer Energieversorgung mit unterirdischen Kabelkanälen versehen. Während der Jaycees-Periode entstanden in „Old Tucson“ über 20 Spielfilme, so zum Beispiel die berühmten Western „Winchester 73“ (1950) mit James Stewart, „3:10 to Juma“ (1956) mit Glenn Ford, „Gunfight at the OK Corral“ (1957) mit Burt Lancaster und auch „Last Train From Gun Hill“ (1959) mit Kirk Douglas.

Im Januar 1960 machte man das Gelände im Rahmen eines so genannten Themenparks der breiten Öffentlichkeit zugänglich, was es der inzwischen als „Old Tucson Studios“ firmierenden Gesellschaft ermöglichte, bestehende Gebäude zu erneuern beziehungsweise zusätzliche Bauten zu errichten, so dass 1961 mit Sam Peckingpahs „The Deadly Companions“ der Wiedereinstieg ins Filmgeschäft gelang. Auch Western-Legende John Wayne wirkte in vier Produktionen mit, welche jeweils dafür sorgten, dass die Kulissenstadt um neue Gebäude erweitert wurde. Bereits für „Rio Bravo“ (1959) kam „Old Tucson“ so zu einem „Saloon“, einer Bank sowie einer Arztpraxis, derweil dann „McLintock!“ (1963) ein Hotel und einen Bahnhof bescherten. Weitere Bauten wurden wiederum für „El Dorado“ (1967) und „Rio Lobo“ (1970) erstellt.

 

Das Eisenbahn-Inventar von „Old Tucson“

Im September 1970 übernahm „Old Tucson Studios“ die Schlepptenderlok Nº11 namens „Reno“ vom Typ „American“ (Achsfolge 4-4-0 beziehungsweise 2’B), welche ursprünglich 1872 bei Baldwin in Philadelphia gebaut und an die im US-Bundesstaat Nevada operierende „Virginia & Truckee“ geliefert worden war. Ihr Hollywood-Debüt gab die V&T-Maschine Nº 11 in „Courage of the West“ (1937) der „Universal Pictures“, worauf ein Jahr später die „Paramount Pictures“ 500 US-Dollar für eine Option zahlte, die „Reno“ pachten oder ganz übernehmen zu können, wobei deren erster Einsatz dann in Cecil B. DeMilles „Union Pacific“ (1939) erfolgte. Bereits im März 1945 wechselte die Maschine samt den dazugehörigen Waggons den Besitzer und ging für 5000 US-Dollar an die „Metro-Goldwyn-Meyer“, bis deren finanzielle Probleme Ende der 1960er Jahre dazu führten, dass die „Reno“ für 65 000 US-Dollar versteigert werden musste und schießlich wie erwähnt dem Eisenbahn-Inventar von „Old Tucson“ einverleibt werden konnte.

Im Dezember des gleichen Jahres aquirierte man zusätzlich von der „Twentieth Century Fox“ einen sechsachsigen Pullman-Waggon, welcher bereits 1880 für die „Central Pacific“ gebaut und in der Folge von der einstmaligen Filmgesellschaft „Fox Film Corporation“ aufgekauft worden war, bevor diese 1935 mit den „Twentieth Century Pictures“ fusionierte. Auch das verbliebene Rollmaterial der „Paramount“ – stationiert in Los Angeles auf einer Stichstrecke zur „Union Pacifc“ – stand ab Oktober 1971 zum Verkauf. Robert Shelton als Vertreter von „Old Tucson Studios“ aquirierte alle 27 Waggons, stieß jedoch 22 davon wieder ab durch den Weiterverkauf an die „Short Line Enterprises“. Das Inventar erweiterte sich damit um folgende Fahrzeuge:

  • „Baggage“ Nº 1 von Kimball (1872),
  • „Combine“ Nº 15 der Detroit Car Company (1874),
  • „Box car“ Nº 1001 beziehungsweise Nº 1007 der „Central Pacific“ sowie
  • „Box car“ Nº 50 der „Wells, French & Company“ (1875).

Anlässlich eines Großfeuers auf dem Gelände der „Old Tucson Studios“ im Jahr 1995 wurde auch die „Reno“ derart in Mitleidenschaft gezogen, dass sie ihre Betriebsfähigkeit verlor. Für die Dreharbeiten zu „Wild Wild West“ 1997 wurde Lok Nº 11 insofern notdürftig rekonstruiert, als das Führerhaus neu aufgebaut und die Maschine einem kompletten Neuanstrich unterzogen wurde, um die „American“ dann in der historischen „Golden Spike“-Zeremonie von Promontory Summit (Utah) als Nº 119 der „Union Pacific“ einsetzen zu können.

 

Autor dieses Beitrags: Manuel Gurtner
Online: 09.06.2003
html-Status: 07.10.2009

 

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