Eisenbahn im Film  –  Rail Movies 
 

 

 

 

The Great Dictator

 

Art: Spielfilm
Produktion: USA 1940
Regie: Charles Chaplin
Farbe: schwarzweiß
Laufzeit: 124'
deutscher Verleihtitel: „Der große Diktator“

 

Inhalt

Diktator Hynkel (Charles Chaplin) alias Hitler empfängt auf dem Hauptbahnhof von „Tomanien“ seinen Konkurrenten Napaloni (Jack Oakie) alias Mussolini, den Herrscher über „Bakteria“. Dummerweise hält der Salonzug trotz mehrerer Rangiermanöver nie an der Stelle, an der für den ungeliebten Gast der rote Teppich ausgelegt wurde. Später geraten Hynkel und Napaloni beim Posieren für die Pressefotografen auch noch in den Abdampf der gerade zurücksetzenden Schlepptenderlok.

 

Eisenbahn

Auch dieses Meisterwerk von Chaplin wurde offensichtlich fast ausschließlich im Atelier und auf dem Studio-Außengelände gedreht, was auch an den meist nur angedeuteten Kulissen von „Tomanien“ ersichtlich wird. Auch die Bahnsteigszene wirkt ausgesprochen künstlich; sie zeigt die monumentale Bahnhofshalle nur ansatzweise.

Desgleichen sind die Rangiermanöver des Sonderzuges und dessen Geräuschkulisse dermaßen grotesk, dass sich bezüglich der entsprechenden Rückprojektion nur auf den Einsatz eines Modellzuges in größerem Maßstab schließen lässt, weil ansonsten diese Szenen kaum realisierbar gewesen wären. Der Salonwagen von Napaloni wiederum lässt eine fahrbare Kulissen-Attrappe erkennen, da sich bei diesem Gefährt – mit mittig angeordneter Schiebetüre (!) – kein Vorbildfahrzeug ableiten lässt.

Absurde Bahnhofs- und Lokomotivmodelle

Die dem Napaloni-Sonderzug vorgespannte Dampflok ist (in der vorliegenden Version des Spielfilms) stets nur in Teilen zu sehen. Näheren Aufschluss bietet eine Dokumentation über den Film und über seine Entstehung:

   

Chaplin aujourd'hui - The Great Dictator / Le dictateur
Chaplin heute - Der große Diktator
Autor: Serge Toubinia
Frankreich 2003

In dieser Produktion (dortige Angaben: „The Great Dictator / MCMXL [= 1940] / Renewed MCMLXVIII [= 1968]“) wird auch auf die Bahnhofs-Sequenz des Chaplin-Films eingegangen.

Man sieht im Toubinia-Film zwei Einstellungen, die dem Rohmaterial des Films entstammen. Eine Film-Klappe (Text: „0021 / A CHAS CHAPLIN / KEY PLATE #2“) wird vor dem Vorderteil der Dampflok geschlagen, die dann in einer weiteren Einstellung nahezu vollständig ins Bild fährt.

Anhand des Arms, der die Klappe hält, lässt sich die Höhe des verwendeten Lok-Modells auf etwa Armeslänge schätzen.

Sowohl die Bahnsteighalle als auch das von links am vorderen Bahnsteig einfahrende Modell einer Dampflokomotive zeigen Details, bei denen man entweder von eisenbahntechnischer Unkenntnis oder von bewusst absurd-bizarrer Gestaltung ausgehen kann.

  • Die flache Bahnhofshalle, gesehen von einem fast mittig gelegenen Bahnsteig, stellt sich als sehr gestreckter Korbbogen dar, eine statisch gesehen wohl völlig unhaltbare Glas-/Eisen-Konstruktion.
  • Weiter nach hinten folgen mehrere Gleise (vier?), dann ein weiterer Bahnsteig, dahinter zwei Reisezugwaggons und schließlich die in scharfer Krümmung herabgeführte Seitenschürze der Bahnhofshalle.
  • In der das Bild beherrschenden Öffnung der bombastischen Bahnhofshalle ist hinter einer sinnlos erscheinenden extrem schmalen Viadukt-Konstruktion ein simpel gebautes Stadtpanorama erkennbar.
  • Die einfahrende Schlepptenderlok des Typs „Pacific“ (Achsfolge 2’C1’) trägt die Betriebsnummer 217. Möglichweise hat sie an ihrer Front einen Cow catcher („Kuhfänger“), was wegen der Ansicht schräg von hinten jedoch nicht eindeutig zu erkennen ist.
  • Dem plumpen Lok-Schornstein mit sehr schmaler Krempe (Caledonian-Karikatur) entweicht der Abdampf V-förmig in zwei Richtungen (technisch gesehen: Blödsinn).
  • Es sind zwei Sanddome vorhanden (der erste scheint ein missverstandener Dampfdom zu sein), dazwischen eine US-typische Glocke auf dem Kesselscheitel.
  • Auf fast auf halber Kesselhöhe erstreckt sich der seitliche Umlauf. Vorne führt eine Leitertreppe von ihm auf die Zylinder, unmittelbar unter ihm befinden sich zwei Druckbehälter (der hintere unglaubwürdig lang).
  • Die Lok ist mit Heusinger-Steuerung ausgestattet, deren zweischienige Gleitbahn leicht nach hinten ansteigt (bei waagerechten Dampfzylindern – daher eigentlich nicht fahrfähig).
  • Der Stehkessel reicht abenteuerlicherweise bis unter das hintere Ende des Führerhauses, das dadurch unbenutzbar ist.

 

Autoren dieser Filmbesprechung: Manuel Gurtner und (Abschnitt „Absurde Bahnhofs- und Lokomotivmodelle“) Joachim Biemann
Online: 19.01.2003
Version vom 03.05.2004
html-Status: 07.10.2009

 

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