Eisenbahn im Film – Rail Movies |
The Lady Vanishes
Art: Spielfilm
InhaltIrgendwo in Osteuropa, am Vorabend des Zweiten Weltkrieges: Die Engländerin Iris Henderson (Margaret Lockwood) befindet sich auf der Heimreise, als sie eine ältere Dame namens Froy (Dame May Whitty) kennenlernt. Die vermeintliche Gouvernante ist in Tat und Wahrheit eine Agentin des britischen „Foreign Office“ mit dem Auftrag, eine verschlüsselte Botschaft – beim sogenannten „MacGuffin“ handelt es sich um eine Melodie – über geheime Vertragsklauseln zweier Staaten aus Osteuropa nach London zu schmuggeln. Doch im Zug wimmelt es von feindlichen Spionen, welche dies unter dem Kommando des Prager Hirnchirurgen Dr. Hartz (Paul Lukas) verhindern wollen. Dabei wird in der Folge auch die junge Heldin in das Komplott verwickelt.
EisenbahnDieses filmtechnische Meisterwerk wurde wie schon Hitchcocks „The 39 Steps“ in den „Lime Grove Studios“ der „Gaumont-British“ inszeniert, welche sich nördlich von London in Islington befanden. Das Intro beginnt mit einem Schwenk über eine verschneite Gebirgslandschaft und zoomt dann in eine kleine Ortschaft, auf deren Bahnhof ein Zug wegen eines Lawinenkegels blockiert ist, derweil die Fahrgäste im einzigen Hotel des Dorfes untergebracht sind. Bezüglich der Schneeblockade wurde Hitchcock wahrscheinlich von einem Photo aus dem Jahr 1929 inspiriert, das den „Simplon–Orient Express“ völlig zugeschneit in Thrakien – dem europäischen Teil der Türkei – zeigt, wo der Zug mehrere Tage festsaß. Gedreht wurden die erste Einstellung und noch weitere Szenen aufgrund des eher bescheidenen Produktionsbudgets mittels einer aufwändigen Miniaturlandschaft. Das Film-Atelier selbst hatte anscheinend nur eine Länge von etwa 30 Metern und somit gerade einmal Platz für einen einzigen Eisenbahn-Waggon. Deshalb musste fast durchwegs auf Kulissenbauten, Modell-Attrappen und „Matte Paintings“, aber vor allem auch auf die nochmals perfektionierte Rückprojektionstechnik zurückgegriffen werden. Das dafür notwendige Filmmaterial stammt mutmaßlich – eventuell während Hitchcocks jeweiligen Ferienreisen in Südfrankreich aufgenommen – von der „Route Impériale“ bzw. von der Côte d’Azur. Identifizieren lassen sich darin die PLM-Mountain 241A (2’D1’) und die PLM-Pacific 231H (2’C1’). Über die geografischen Präferenzen von „The Lady Vanishes“ und der daraus resultierenden Route des Zuges ist schon einiges spekuliert worden – der renommierte Hitchcock-Kenner Donald Spoto beispielsweise vermutet als Ort der Handlung „what appears to be Austria“ – wobei aber meines Erachtens keine der angeführten Argumentationen schlüssig ist, schon gar nicht gemessen an eisenbahn-relevanten Gesichtspunkten. Die Schwierigkeit besteht hauptsächlich darin, dass Hitchcock – selbst ein bekennender Eisenbahn-Enthusiast, was sich zum Beispiel darin zeigte, dass ihn während seiner Ferien in der Schweiz weniger die Berge Graubündens als vielmehr die „Rhätische Bahn“ begeisterte – trotz einer recht hohen Detailtreue durchwegs vage bleibt. Ein Grund mag darin gelegen haben, dass der britischen Filmzensur keinerlei Angriffsfläche geboten werden sollte. Denn zweifelsohne entstand das Werk Ende 1938 unter dem Eindruck der damaligen politischen Situation – also nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland Mitte März sowie der Anfang Oktober erfolgten Besetzung des Sudetenlandes in der damaligen Tschechoslowakei – und vor allem auch angesichts der fragwürdigen Außenpolitik des britischen Premiers Neville Chamberlain. Hitchcock war meines Erachtens keineswegs apolitisch, was sich beispielsweise darin manifestierte, dass er noch 1944 im Auftrag des britischen Propaganda-Ministeriums zwei Filme drehte – „Bon Voyage“ und „Aventure Malgache“, notabene beide in einer französischen Sprachversion. Seine politische Haltung drückte sich auch in den vorangegangenen „Kriegsfilmen“ „Foreign Correspondent“ (1940), „Saboteur“ (1942) und „Lifeboat“ (1943) recht deutlich aus.
Fiktion und RealitätNachfolgend versuche ich, die Film-Fiktion anhand geografischer, historischer und eisenbahn-spezifischer Aspekte in Beziehung zu bringen zu den damals realen Gegebenheiten, wobei aber der Schwerpunkt klar auf eisenbahn-relevante Fakten und Indizien gelegt wurde, um die Thesen zu untermauern. Die dem Film zugrunde liegende Romanvorlage „The Wheel Spins“ von Ethel Lina White wurde dabei nicht berücksichtigt. Wie eingangs erwähnt zeigt die erste Einstellung ein Panorama mit stark bewaldeten Bergflanken und schneebedeckten Gipfeln. Offensichtliche Gründe schließen jedoch Österreich oder gar die Schweiz als Schauplatz der Handlung aus, weshalb das Augenmerk in Richtung Osteuropa sowie in den Bereich der Karpaten gerichtet werden muss. Diese sind – nach den Alpen – die zweitgrößte Gebirgskette Europas. Anhand des topographischen Charakters der Bahnlinie mit Tunnels und Viadukten möchte ich das ehemals tschechoslowakische Gebiet um die „Hohe Tatra“ – obschon in Bezug auf das markante Landschaftsbild, die Gipfelhöhen und Schneeverhältnisse durchaus plausibel – vorderhand ausklammern, weil diese Gegend nicht im Einzugsgebiet der klassischen England–Orient-Route liegt. Daher werden vorab die rumänischen Karpaten in Betracht gezogen. Die Gegend – „Transylvanische Alpen“Im Altertum „Corona Montium“ genannt, bedeckt die Gebirgskette ein Drittel der Fläche Rumäniens. Der siebenbürgische Teil der Südkarpaten erstreckt sich dabei vom Predeal-Pass bis zum Tarcu- und Poiana Rusca-Gebirge. Hier befinden sich auch die höchsten und beeindruckendsten Gipfel (Omul: 2505 Meter, Moldoveanu: 2544 Meter, Negoiu: 2535 Meter, Parângul Mare: 2519 Meter) und begründen die ehemalige Bezeichnung der Südkarpaten als „Transylvanische Alpen“. Obwohl Gletscher, größere Schneeflächen und gewaltige Wasserfälle durchwegs fehlen, ist die Landschaft äußerst malerisch, inbesondere auch wegen der hochgelegenen kleinen Seen, den so genannten „Meeraugen“. Die Route – über den Predeal-PassAuf der Basis dieser These und anhand des Streckenprofils darf gleichzeitig angenommen werden, dass der Zug auf einer der rumänischen Karpatenlinien unterwegs ist. Die wichtigste Verbindung zwischen der Hauptstadt Bukarest und Ungarn verlief damals über den Predeal-Pass nach Kronstadt (Brasov) und weiter über Klausenburg (Cluj) und Grosswardein (Oradea). Zwischen September1872 und Dezember 1879 in mehreren Etappen eröffnet, erreicht die Gebirgsbahn bei der Station Predeal – unweit des gleichnamigen Passes – mit 1054,34 Metern über dem Meerespiegel ihren höchsten Punkt. Der Pass selbst wird mittels eines Scheiteltunnels von 934,2 Metern Länge unterfahren. Speziell für den Einsatz auf diesen Gebirgsstrecken beschafften die rumänischen Bahnen C.F.R. beim Maschinenbauwerk „Resita“ und bei der Lokomotivfabrik „Malaxa“ zwischen 1937 und 1940 insgesamt 79 Dampfloks der Baureihe 142 (Lizenzbau, entsprechend der Reihe 214 der österreichischen Staatsbahn BBÖ) mit der Achsfolge 1’D2’, welche die schweren Schnellzüge – darunter die Bukarester Sektion des „Arlberg–Orient Express“ – mit einer Geschwindigkeit von immerhin noch 42 km/h über die steile Nordrampe schleppten. Das Vorbild – „Rapide Ardeal“Als Vorbild für den Zug kommt am ehesten der „Rapide Ardeal“ in Frage, welcher während der 1930er Jahre die Predeal-Linie benützte und so als Anschlusszug zum 1932 eingeführten „Arlberg–Orient Express“ (A.O.E.) fungierte und dessen Bukarester Sektion von und nach Budapest beförderte. Diese umfasste den
Die A.O.E.-Sektion verkehrte jeweils alternierend zur Bukarester Sektion des „Orient Express“. Natürlich kann moniert werden, dass ab dem Frühjahr 1938, also nach dem „Anschluss“ Österreichs, die Route des A.O.E. keine Umgehung des nationalsozialistischen Machtbereichs mehr bot. Alternativ dazu verkehrte deshalb auch in einem der „Direct-Orient“-Züge (unter anderem mit Sitzwagen 3. Klasse) ein Schlafwagen Budapest–Paris via Triest. Und selbstverständlich war da noch die renommierteste aller Orient-Verbindungen, nämlich der „Simplon–Orient Express“ (S.O.E.), dessen Bukarester Flügel im Gegensatz zur A.O.E.-Sektion die Route über Temeschwar (Timisoara) und Subotica einschlug, um schließlich im kroatischen Vinkovci mit dem eigentlichen Stammzug aus Istanbul vereinigt zu werden. Die Komposition setzte sich zusammen aus dem
Während der für Calais bestimmte Bukarester Schlafwagen des A.O.E. – in der Regel ein blauer Ganzstahlwagen vom Typ Z – nach seiner Rückkehr mit dem Stammzug des „Arlberg–Orient“ von Budapest über Wien und Basel dann in Chaumont dem Calaiser Flügel des A.O.E. mitgegeben wurde, mussten die England-Reisenden des S.O.E. spätestens im Pariser „Gare de Lyon“ in den Schlafwagen Richtung Kanalküste wechseln. Dieser Kurswagen wurde anschließend hinter einer Tenderlok der Reihe TQ (mit der Achsfolge E) über die „Petite Ceinture“ zum Nordbahnhof rangiert und von dort mit einem der Fährbootzüge – als namhaftester Vertreter ist der Pullman-Zug „Flèche d’Or“ bzw. „Golden Arrow“ zu erwähnen – nach „Calais Maritime“ befördert zu werden – wahrscheinlich hinter einer der famosen Chapelon-Pacific der Reihe 231E. In Bezug auf die Filmhandlung kann anhand dieser Faktenlage spekuliert werden, dass Miss Froy nach dem Passieren der grünen Grenze zwischen Rumänien und Ungarn als weiteren Fluchtweg die Route durch das Banat, Serbien und das damals noch neutrale Italien gewählt haben wird, um nicht noch auf österreichischem oder deutschem Hoheitsgebiet von der Gestapo abgefangen zu werden. Wie auch immer: Es hieß für die England-Reisenden am Pier von Calais nochmals Umsteigen auf eine der Kanalfähren – eines der Fährboote ist auch im Film kurz zu sehen – derweil in „Dover Marine Station“ bereits ein „Boat Train“ der „Southern“ wartete, um die Fahrgäste nach London zu bringen. Die Ankunft eines solchen Fährbootzuges auf Gleis 7 der „Victoria Station“ – vorneweg mutmaßlich eine Damplok der „King Arthur“-Class (2’C) oder eine der „School“-Class (2’B) – ist im Film ebenso enthalten wie auch das anschließende „Cameo“ – also der traditionelle Kurzauftritt – von Regisseur Hitchcock. Der Zug – eine filmtechnische FiktionBereits im Intro ist der Zug kurz zu sehen, welcher sich schnell als Modell entpuppt. Das selbe gilt für die Gleisanlagen, das Bahnhofsgelände sowie die zugehörige Ortschaft – wenngleich als hübscher Gag ein Oldtimer langsam die Dorfstraße „hinunterfährt“, um ein wenig Bewegung in die ansonsten statische Modell-Landschaft hineinzubringen. Die Zusammensetzung ist wie folgt: unmittelbar nach der Lok ein kurzer Packwagen (zweiachsig?), dann der Schlafwagen sowie der Speisewagen und schließlich mehrere Sitzwagen. Die Anzahl der Waggons lässt sich nicht genau ermitteln und scheint in den diversen Szenen mit dem Modellzug zu differieren. Ebenso besteht eine Diskrepanz zur Länge des Zuges in den Realaufnahmen für die Rückprojektion. Hingegen handelt es sich bei der Schlepptender-Lok offensichtlich um ein gut detailliertes Modell, das einer Pacific (2’C1’) vom PLM-Typ 231H nachempfunden ist. Der eigentliche Modellmaßstab müsste sich im Bereich der Baugröße II (entspricht 1:22,5) bewegen. Dem gegenüber wurden die in den Waggon-Abteilen und -Gängen spielenden Szenen größtenteils mittels aufwändigen Kulissenbauten und in authentischen Dekors gedreht, meistens in Kombination mit einer entsprechenden Rückprojektion. Der Waggon – „Voiture-Lits“ der CIWLDie Bahnsteigszene auf dem Bahnhof in den Karpaten hinterlässt den Eindruck, dass die Waggon-Attrappen des Zuges dem (kleineren) englischen Lichtraumprofil entsprechen. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass es sich beim angeblich einzig echten Eisenbahn-Waggon auf dem Set um das Exemplar eines Schlafwagen des Typ F („Ferry“) der „Compagnie Internationale des Wagons-Lits“ (CIWL) gehandelt haben könnte. Meine These stützt sich dabei auf die Tatsache, dass 1936 von der nordfranzösischen Lokomotiv- und Waggonbaufabrik „Blanc-Misseron“ die erste Serie (Nº 3788 bis 3799) der so genannten F-Schlafwagen an die „Wagon-Lits“ geliefert wurde, welche ausschließlich für den Betrieb des „Night Ferry“ bestimmt waren. Diese inzwischen legendäre Nachtverbindung verkehrte noch ab dem gleichen Jahr und in der Folge – nur unterbrochen durch den Zweiten Weltkrieg – bis 1980 zwischen London und Paris (ab 1957 auch mit einem Zweig nach Brüssel), derweil dessen Schlafwagen zwischen Dover und Dünkirchen über den Ärmelkanal trajektiert wurden. Speziell zu diesem Zweck wurden drei neue Kanalfähren in Dienst gestellt, nämlich die Twickenham-, die Hampton- sowie die Shepperton-Ferry. Im Unterschied zu anderen „Voiture Lits“ der CIWL-Flotte wies der F-Schlafwagen wegen der deutlich reduzierten Außenmaße (Länge 19,23 Meter) nur neun Abteile auf, wobei jedes mit zwei Schwimmwesten (!) ausgerüstet war. Außerdem waren die Einstiege an einem Wagenende „blind“, weil sich dort das Office des CIWL-Schaffners befand. Dank seines unverwechselbaren Erscheinungsbilds und der damit verbundenen – im Vergleich zu sonstigen britischen Reisezugwagen – „kontinentalen“ Bauweise war der F-Schlafwagen geradezu prädestiniert für die Dreharbeiten. Bei der mutmaßlichen Leihgabe durch die CIWL müsste es sich demnach um den Reservewagen gehandelt haben, welcher für den englischen Abschnitt des „Night Ferry“ jeweils in London stationiert war – genauer im Wagendepot von Pimlico, links von der Auffahrt zur „Grosvenor Brigde“. Anscheinend wurde das Fahrzeug aber nur unter der Bedingung überlassen, dass im Film weder anhand der Aufschriften noch durch sonstige Eigentumsmerkmale irgendwelche Rückschlüsse auf die „Wagon-Lits“ gemacht werden konnten. Trotz teilweise geäußerter Vermutungen, beim Zug handle es sich um einen Express der CIWL im allgemeinen beziehungsweise um den „Orient Express“ im speziellen, tragen die Waggons weder die Aufschriften noch das traditionelle Wappen – hingegen wurden die ebenso charakteristischen weißen Routentafeln belassen. Auf den Furnieren der Abteilwände ist dafür ein Emblem zu erkennen, das schon eher an den „Mitropa-Adler“ gemahnt. Eindeutig erkennbar sind ansonsten die (fiktive) Fahrzeug-Nummer 2593 sowie die Aufschriften „Dining Car“ und „Sleeping Car“, vor allem während der Szenen, als der Zug gegen Ende des Films auf eine Nebenlinie geleitet und anschließend unter Beschuss genommen wird. Als einer der englischen Passagiere den Speisewagen verlässt, um sich zu ergeben, fällt er tödlich getroffen geradewegs neben das Drehgestell – dieses notabene vom Typ „Pennsylvania“ (auch bekannt als Schwanenhals-Drehgestell), welches damals zum Standard der CIWL-Flotte gehörte und damit meine These noch zusätzlich stützt. Die „tschechoslowakische“ TheseAbschließend kommt man nicht umhin zu erwähnen, dass sich bei eingehender Betrachtung des Filmes diverse Anhaltspunkte finden lassen, welche die „rumänische“ These ins Wanken bringen und darauf hindeuten, dass die Handlung des Films ebenso plausibel in der damaligen Tschechoslowakei angesiedelt sein könnte. Denn festzustellen bleibt:
Gewichtet man diese Indizien entsprechend, lassen sich folgende Schlüsse in Bezug auf den Schauplatz und die Reiseroute ziehen. Die Gegend – „Hohe Tatra“Als Ausläufer der Westkarpaten bildet die östliche Tatra eine natürliche Barriere zur Polen. Der größte und bekannteste Teil dieser Region ist die „Hohe Tatra“, deren höchster Gipfel, Gerlachovsky Stit, 2655 Meter über dem Meeresspiegel erreicht. Diese Berge breiten ihre 32 Täler über nur etwa 26 Kilometer aus und machen das Gebirge zu einem der kleinsten Hochgebirge der Welt. Im Jahre 1903 übernahm die CIWL unweit von Tatra-Lomnicz ein Grand Hotel, welches 1894 von der ungarischen Regierung errichtet worden war. Dieses Hotel – gelegen am malerischen Csorbasee (Strbske Pleso) – war mittels einer rund fünf Kilometer langen Zahnradbahn mit der talwärts gelegenen Station Csorba (Strba) verbunden, welche sich wiederum an der Magistrale von Kaschau (Kosice) nach Oderberg (Bohumin) befand. Der Luftkurort Tatra-Lomnicz selbst – dank seiner erstklassigen Infrastruktur von vielen österreichischen und ungarischen Aristokraten, später dann auch von englischen Touristen frequentiert – wurde in der Folge durch eine 11 Kilometer lange Stichbahn nach Tarpatak (Poprad?) an das MAV-Netz angeschlossen, was direkte Schlafwagenläufe ermöglichte, insbesondere von und nach Budapest. Dieses Gebiet und dessen Eisenbahnlinien wurden nach dem ersten Weltkrieg gemäß den Verträgen von Trianon (1920) der Tschechoslowakei zugeschlagen. Die Route – über den Strbske-PassGut möglich also, dass Iris Henderson und die restlichen Engländer im Zug den Urlaub in einem der Tatra-Kurorte verbrachten, was wiederum den Schluss zulässt, dass es sich beim Zug um einen der direkten Schlafwagen-Anschlüsse (mit Speisewagen Kaschau–Budapest) handeln würde, welcher die Route über den Strbske-Pass benutzte auf seinem Weg nach der ungarischen Hauptstadt, von wo dann die Orient-Züge – wie bereits oben erwähnt – weiter Richtung England verkehrten. SchlussfolgerungWie auch immer: Es bleibt dem geneigten Zuschauer überlassen, welche Schlüsse aus der Vielzahl von – einerseits offenkundigen, andererseits vagen oder versteckten – Andeutungen und Indizien gezogen werden können. Meines Erachtens kommt eine Konklusion beider Thesen der Realität wohl am nächsten.
The Lady Vanishes
Art: Spielfilm
Titel-Vorspann, notiert von JB nach der Ausstrahlung von Pro 7 am 02.07.1994 (Versalien des Vorspanns hier nicht verwendet; in geschweiften Klammern { } Ergänzungen laut IMDb):
Eisenbahn
Der Film spielt laut Text-Einblendung im August 1939. Startpunkt ist in „Bayern“ der Bahnhof „Dölsach“, von dem aus Miss Froy und die anderen Reisenden nach Basel fahren wollen. Nach einer unfreiwilligen Übernachtung (die nächstfolgenden Züge sind für das deutsche Militär reserviert) begibt man sich in einen Zug, der aus grünen Waggons und einer Dampflokomotive besteht. Die Lok mit großen Windleitblechen gehört der Baureihe 50 an, die anhand des „gestielten“ oberen Spitzenlichts eindeutig der österreichischen Graz–Köflacher Eisenbahn- und Bergbau-Gesellschaft (GKB) zugeordnet werden kann. Dorthin waren von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) 1972 drei 50er gekommen: 50.685, 50.1171 und 50.1805. Zur Lok und zum Drehort fasst Lothar Behlau einen Beitrag in CRJ zusammen: „Der Film wurde unter anderem in Kärnten (?) gedreht und zeigt ausgiebig die GKB-Museumslok 50.1171 (ex ÖBB, ex DRB 50 1171, Skoda 1942/1250). Hierbei hat man sich sehr große Mühe gegeben, sie in den Zustand zur Reichsbahnzeit zurückzuversetzen, bis hin zum sichtbaren Datum der letzten Bremsrevision, das mit dem 24.09.37 allerdings ein wenig vor ihre ‚Geburt‘ verlegt wurde.“ Ebel/Wenzel berichten über die Dreharbeiten zu diesem Film: „50.1171 war im September 1978 Filmstar in der Neuverfilmung von ‚Eine Dame verschwindet‘ nach Agatha Christie. Sie befuhr für die Filmaufnahmen die Rosentalbahn Klagenfurt – Rosenbach, die Görtschitztalbahn Launsdorf – Hüttenberg und die Pustertalbahn im Abschnitt Sillian – Steinfeld.“ Der Film bietet einige gut fotografierte Szenen des Dampfzugs. Überwiegend spielt sich das Geschehen im Zug ab, wobei ein eher karges Abteil (vermutlich ein Kulissenbau), ein luxuriöser Speisewagen (hinter der Lok; DR-Hakenkreuzadler, RIC-Angabe für 140 km/h) und ein zweiachsiger Packwagen (am Zugschluss) als Schauplatz dienen. Auf und in einigen Waggons ist – für 1939 unpassend – das kreisförmige Adler-Emblem der Reichsbahn aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahre zu sehen. Die meisten Remakes sind erfahrungsgemäß schlechter als das Original. Dies trifft auch auf diese Produktion von 1979 zu. Es fehlen einfach die unvergleichliche Atmosphäre und der Humor des Vorgängers – aber welcher wiedergängerische Film konnte es überhaupt mit einem von Hitchcocks Werken aufnehmen? Allerdings sind bei Page viele mit Original-Eisenbahnfahrzeugen auf der Strecke gedrehte Szenen zu sehen. Dies jedenfalls: nicht schlecht. Literatur
Autoren dieser Filmbesprechungen:
|
Hier sind Sie:
|