Eisenbahn im Film – Rail Movies |
From Russia with Love
Art: Spielfilm
InhaltAgent 007 alias James Bond (Sean Connery) gelingt es dank eines von Kerim Bey (Pedro Armendáriz) – sein MI6-Verbindungsmann und Leiter der „Station T“ in Istanbul – ausgelösten Sprengstoffanschlags auf die sowjetische Botschaft, deren hochmoderne Dechiffriermaschine „Lektor“ an sich zu bringen. Anschließend setzt sich Bond zusammen mit seiner schönen Komplizin – die vermeintliche Überläuferin Tatiana Romanova (Daniela Bianchi) – im „Orient Express“ in Richtung Westen ab. Doch auch Donald „Red“ Grant (Robert Shaw) – ein psychopathischer Killer der Terror-Organisation SPECTRE, welche die „Lektor“ gezielt als Köder für 007 benutzt – ist bereits an Bord des Zuges, um Bond zu liquidieren. Die DrehorteDie eigentlichen Außendrehplätze lassen sich auf die Türkei und Schottland eingrenzen, derweil die „Establishing Shots“ für Italien (Venedig) durch das Second Unit Team generiert wurden, welche dann zu Beginn in der Schachturnier-Sequenz und am Ende im Abspann zu sehen sind. In Spanien (Madrid) wurde zudem die Einstellung mit der Ratteninvasion in den Katakomben unter der russischen Botschaft realisiert. Die Dreharbeiten starteten am Montag, dem 22. April 1963 mit den Aufnahmen in der Istanbuler Hagia Sophia. Von wenigen Einstellungen abgesehen entstanden auch alle Eisenbahn-Sequenzen im europäischen Teil der Türkei. So fungierte der Sirkeci-Bahnhof ebenso als Drehort für die in Jugoslawien (Belgrad und Zagreb) spielenden Perron-Szenen. Angeblich sollte gemäß einer Weisung des einflussreichen Informationsministeriums von den Türkischen Staatsbahnen TCDD speziell für die Dreharbeiten ein authentisch wirkender „Orient Express“ zusammengestellt werden, wohlwissend, dass der originale Simplon-Orient Express wegen der im Vorjahr erfolgten Beschränkung auf Zagreb nicht mehr existierte. Die entlang der Simplon-Orient-Route spielenden Episoden entstanden auf der ab Halkali eingleisigen Strecke Istanbul–Pythion–Edirne. Zum einen die Sequenz kurz vor der bulgarischen Grenze bei Svilengrad, als die beiden Söhne Kerim Beys vergeblich an einem unbewachten Bahnübergang darauf warten, dass ihr Vater zusammen mit Bond und Tatiana vom hier langsam fahrenden Zug abspringt, um die beiden anschließend per Flugzeug nach Athen zu bringen. Im Nachschuss auf den vermeintlichen „Orient Express“ sind übrigens mehrere Güterwagen (davon drei weiße Kühlwagen) zu erkennen – Indiz für einen fahrplanmäßigen PmG (Personenzug mit Güterbeförderung) der TCDD. Zum anderen dann die nächtliche Sequenz kurz vor der italienischen Grenze bei Triest, wo ein Kleinlaster (1958er Dodge der D-Serie) mit einem (fingierten) Defekt auf einem Bahnübergang das Geleise blockiert und den Expresszug zum Anhalten zwingt. Diese Szenen wurden an der nördlichen Ausfahrt der winzigen Provinzstation Yarimburgaz, welche nebst dem eigentlichen Strecken- nur gerade noch ein Umfahrungsgleis aufweist und von Halkali aus, wo dazumal von Elektro- auf Dampftraktion umgespannt wurde, den nächsten fahrplanmäßigen Halt in Fahrtrichtung Edirne markiert. Beim Gewässer am rechten Bildrand handelt es sich somit weder um die Adria noch um das Marmara-Meer, sondern lediglich um den Küçükçekmece Gölü, einen nur gerademal 20 Meter tiefen Strandsee mit einer Länge von 10 Kilometern und einer Breite von 6 Kilometern. Die anschließende Verfolgungsjagd durch einen SPECTRE-Helikopter entstand hingegen unweit von Crinan im schottischen Distrikt Argyll, wobei jetzt aber als Kleinlaster ein 1961er-Chevrolet verwendet wurde. Auch der Showdown mit den SPECTRE-Schnellbooten vor der Küste von „Istria“ sollte zuerst in der Türkei auf der asiatischen Seite bei Pendik inszeniert werden. Unter anderem die äußerst nervenaufreibenden Dreharbeiten auf dem Bahnhof Sirkeci während der verkehrsfreien Nachtstunden bewogen den Regisseur schließlich dazu, diese Sequenzen ebenfalls in Schottland zu realisieren, wobei der nördlich von Crinan gelegene Loch Craignish als Kulisse für das Adriatische Meer herhalten musste. Trotz eines ausgewiesenen und für damalige Verhältnisse in diesem Genre beachtlichen Bugdets von zwei Millionen US-Dollar wurde aus produktionstechnischen Gründen wann immer möglich in den Ateliers und auf dem Außengelände der Londoner Pinewood Studios gedreht, beispielsweise das Intro oder die Episode im Zigeunerlager. Auch alle im Zug spielenden Szenen entstanden unter Einsatz der Rückprojektionstechnik, wobei alleine die fulminant choreografierte Kampfsequenz zwischen Sean Connery und Robert Shaw im Schlafwagenabteil volle drei Drehtage in Anspruch nahm.
EisenbahnDie Abfahrt des Zuges in Istanbul wurde wie eingangs erwähnt am Originalschauplatz des Istanbuler Sirkeci-Bahnhofs aufgenommen, wobei die Garnitur aus produktionstechnischen Gründen auf Gleis 4 postiert war, und nicht etwa am Hausbahnsteig, welcher ansonsten den Fernzügen vorbehalten ist. Derweil ist im Hintergrund auf Gleis 5 oder 6 einer der dreiteiligen TCDD-Vorortstriebzüge der Reihe E8000 (Alsthom 1955) zu erkennen. Die kurz darauf folgende Außenaufnahme mit der Sultan-Ahmed-Moschee im Hintergrund zeigt den Expresszug – wobei die Lok auch hier nicht zu sehen ist – bereits auf dem seit Dezember 1955 mit Wechselstrom (25kV/50Hz) elektrifizierten Abschnitt der Bannmeile, welche damals bis Halkali reichte. Nebst den typischen Schürzenwagen lässt sich auch ein Waggon der TCDD vom Typ Schlieren-RIC ausmachen, welcher anfangs der 1960er Jahre speziell für den Verkehr nach Deutschland, beispielsweise im Jugoslavia Express, beschafft wurde. Gleich hinter dem CIWL-Schlafwagen und damit am Schluss der Garnitur läuft der TCDD-Waggon AB 1248, ein Seitengangwagen 1./2. Klasse mit Heimatbahnhof Sirkeci. Der Bahnhof – Istanbul SirkeciDie erste Bahnstation auf der europäischen Seite im damaligen Konstantinopel befand sich im Vorort Yedikule. Sie nahm ihren Betrieb im Januar 1871 auf, als die Orient-Bahn (Chemins De Fer Orientaux, CO) ihre Strecke nach Küçükçekmece eröffnete. Schon bald wurde die Trasse weiter in Richtung Bosporus verlängert, weshalb 1873 direkt an dessen Strand ein neuer Kopfbahnhof errichtet wurde, um die inzwischen bis Edirne fertiggestellte Strecke dem Verkehr übergeben zu können. Der damals noch provisorische Bahnhof wurde erst 1890 durch das bis heute erhaltengebliebene, bewusst vom orientalisch Stil geprägte Empfangsgebäude ersetzt, wobei die Arbeiten unter der Leitung des deutschen Architekten Jasmund standen. Unter anderem mit Zentralheizung und Gaslicht ausgestattet, bot der neue Bahnhof vor allem den Reisenden des Orient Express einen adäquaten Komfort. Denn bereits im Juni 1889 war zwischen Nisch (Jugoslawien) und Sofia (Bulgarien) die letzte Lücke einer durchgehenden Eisenbahnverbindung von Paris ans Goldene Horn geschlossen worden, so dass seither und noch bis 1977 Istanbul Sirkeci den Endpunkt der Orient-Linie bildete. Der Zug – Direct-OrientBeim viel zitierten „Orient Express“ im Film handelt es sich genau genommen um den Direct-Orient (D.O.), den glanzlosen Nachfolger des Simplon-Orient Express (S.O.E.) der Nachkriegszeit. Schon während der 1920er und 1930er Jahre verkehrte als Alternative zum luxuriösen S.O.E. ein Zug unter diesem (noch inoffiziellen) Namen von Paris nach Triest, und zwar ausschließlich mit Wagenmaterial der zweiten und dritten Klasse. Anno 1960 auf Antrag der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) als neue Transitverbindung nach dem Balkan offiziell lanciert, übernahm der Direct-Orient in der Folge die Kurswagen des S.O.E., der dann am 27. Mai 1962 endgültig eingestellt wurde. Zeitweise verbanden die Kurswagen des D.O. bis zu vierzehn Länder untereinander und erreichte dabei auf Teilstrecken eine Länge von bis zu 24 Waggons, jedoch durchlief nur zweimal wöchentlich ein CIWL-Schlafwagen (Typ Y beziehungsweise YU) sowie ein Sitzwagen 1./2. Klasse der Französischen Staatsbahnen SNCF die gesamte Orient-Strecke von Paris bis Istanbul. Die Loks – 45503 und 56501 der TCDDVon den TCDD wurde für die Dreharbeiten zwei Dampfloks aus dem Depot Halkali zur Verfügung gestellt.
Für die nächtlichen Bahnsteig-Szenen von „Belgrad“ und „Zagreb“ kam mit der Schlepptenderlok 45503
(Batignolles 1924) die ursprüngliche Stammbaureihe auf der einstmaligen CO-Linie zum Einsatz, deren technische Daten wie folgt
lauten:
Später ist dann mit der Schlepptenderlok 56501 (Henschel 1943), welche in der oben erwähnten
Bahnübergang-Szene unweit der italienischen Grenze zum Einsatz kam, eine Vertreterin der damaligen und noch bis Ende 1971
praktizierten Standardbespannung für internationale Züge im Abschnitt Halkali–Pythion zu sehen. Basierend
auf der deutschen Kriegsbaureihe 52, lauten die technischen Daten der TCDD-Ausführung (Version mit Wannentender) wie folgt:
Der Schlafwagen – 3893 der CIWLWährend Bond und die Romanova – getarnt als Ehepaar Somerset – zusammen mit Kerim Bey auf dem Istanbuler Bahnhof den CIWL-Schlafwagen entern, ist kurz dessen Fahrzeug-Nummer (3893) zu sehen. Demnach handelt es sich um ein Exemplar vom Typ Yb aus einer belgischen Lieferung von 1948 (Nivelles, Serie 3888 bis 3902), welche speziell für den Einsatz im luxuriösen Ankara Express (Istanbul Haydarpasa–Ankara) beschafft wurde und weshalb auf einer Seite die Fensterband-Beschriftung in türkischer Sprache gehalten ist. Dieser Typ enthielt jeweils elf Zwei-Bett-Abteile mit Waschbecken, Zickzack-Wände mit Verbindungstüren sowie ein kleines Office, das auch als Kombüse diente. Die Werkstätte Haydarpasa war für das türkische CIWL-Material zuständig. Der Laufweg – auf der Simplon-Orient-Route westwärtsIm Gegensatz zur literarischen Vorlage von Ian Flemings „From Russia, with Love“ – von 1953 bis 1957 verkehrte der Simplon-Orient Express zur Umgehung des Eisernen Vorhangs durch Griechenland via Alexandroupolis und Saloniki – führte die Route des Direct-Orient zur Zeit der Dreharbeiten (und noch bis September 1971) über die türkische Grenzstation Uzunköprü nach dem griechischen Pythion und anschließend wieder zurück auf türkisches Staatsgebiet nach Edirne. Von dort ging es über Bulgarien (Plovdiv und Sofia) und durch das damalige Jugoslawien (Belgrad und Zagreb) weiter nach Italien (Triest und Venedig). Im Film wird der Fortgang der Zugreise recht anschaulich mit dem „Abfahren“ der Balkan-Route auf einer Landkarte assoziiert, unterlegt mit der treibenden Musik von John Barry. Abwechselnd sind Ein- und Überblendungen von Dampfzügen eingeflochten, wobei deren Authentizität aber einer genaueren Analyse nicht standhält. Während die Aufnahmen mit den stampfenden Kuppelstangen womöglich noch von einer türkischen „Mogul“ der Baureihe 34.0 (Achsfolge 1’C, Hanomag/Borsig 1911/14) stammen dürften, kann bei flüchtiger Betrachtung der weiteren Sequenzen durchaus auf einen türkischen Dampfzug zum Beispiel mit der TCDD-Baureihe 46.0 (Achsfolge 2’D, Henschel 1932) vorneweg spekuliert werden. Doch bei eingehender Sichtung der entsprechenden Standbilder lässt sich klar feststellen, dass gewisse Sequenzen von der iberischen Halbinsel stammen, wobei mutmaßlich die RENFE-Baureihe 240 (Achsfolge 2’D, ex MZA oder ANDALUCES) zu sehen ist. Notabene zeigen die nächtlichen Stationsdurchfahrten jeweils einen britischen Expresszug der Midland Region mit einer LMS Stanier Class 5 (Achsfolge 2’C, Derby 1943) an der Spitze. [Autor: Manuel Gurtner]
CIWL-Schlafwagen 3893
Im Film soll angeblich CIWL-Schlafwagen 3893 vom Typ Y mitgespielt haben. Die Innenaufnahmen zeigen aber eine Schiebetür als Abteiltür, nach dem Motto „Wie sich Klein-Fritzchen einen Schlafwagen vorstellt...“ wurde hier wohl eine Kulisse gebaut. Der Waggon soll anlässlich der Dreharbeiten für diesen Film technisch aufgerüstet worden sein. Ich nehme an, dass es dabei um die Bremsanlage ging. Jedenfalls wäre das eine Erklärung dafür, warum dieser Wagen schon viele Jahre vor allen anderen seiner Serie aus der Türkei nach Mitteleuropa versetzt wurde – weil er nach dem Umbau dort nicht mehr zu gebrauchen war?! 1969/70 wurde er von Y (= zwei Betten pro Abteil) in den Typ U (= Universal, drei Betten pro Abteil, wahlweise für S/D/T3-Belegung nutzbar) umgebaut. Ab 01.07.1971 gehörte er mit der UIC-Nummer 71 80 71-40 639 zum WL-POOL-Park der DB. 1974/75 wurde er zusammen mit sieben weiteren WL U der CIWLT an die DB verkauft, weil sich die Ablieferung der neuen WL T2S etwas verzögerte beziehungsweise zwei dieser Neubauwagen schon bei der Werksprobefahrt in einen schweren Unfall verwickelt wurden. Zuletzt war er Reservewagen bei der DSG Hamburg und dort noch 1978 abgestellt vorhanden. Anschließend tauchte er bei der Museumsbahn Schönberger Strand bei Kiel auf und soll dort heute noch als Personalunterkunft genutzt werden. Das dürfte bisher kaum jemandem bekannt sein: eine James-Bond-Kulisse bei einer deutschen Museumsbahn! [Autor: Lothar Behlau]
Hämmernder Zug
„Agatha Christie gibt [in „Murder on the Orient Express“; JB] eine ausgezeichnete Beschreibung des Orient-Expreß der dreißiger Jahre; eine der besten Schilderungen für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bietet Ian Fleming in From Russia with Love*, dem besten seiner James-Bond-Romane. [...]
Der Zug soll fahrplanmäßig die griechisch-jugoslawische Grenze um 1 Uhr nachts erreichen, nachdem er sich ‚mühselig durch das vom Mond erleuchtete Tal des Vardar hinaufgearbeitet‘ hat. Stunden, nachdem er die griechische Grenzstation Idomeni verlassen hat, dampft er langsam in Belgrad ein. Doch pünktlich um 21 Uhr setzt eine neue Lokomotive den langen Zug wieder in Bewegung zur Fahrt durch das nächtliche Save-Tal. ‚Vinkovci zeigte sich, dann Brod und schließlich – gegen das flammende Morgenrot – das häßliche, weit ausgebreitete Zagreb. Der Zug hielt zwischen Reihen von rostenden Lokomotiven, die von den Deutschen erbeutet worden waren und immer noch verlassen auf den von Gras und Unkraut umwucherten Nebengleisen standen.‘ Nachdem der Zug Zagreb verlassen hat, hämmert er sich in die slowenischen Berge hinein [...]. Nach Ljubliana hält er in Sezana. Bei der Einfahrt in Mestre ‚begannen die Kanäle. [...]‘ Eine Minute später, Venedig. ‚Padua kam und Vicenza, und ein wunderbarer Sonnenuntergang über Verona blickte golden und rot durch die Risse (in den Vorhängen des Abteils).‘ Jetzt nähert sich Bonds Reise ihrem Höhepunkt, während der Zug durch den Simplontunnel donnert. Die Lichter der Schweiz. ‚Bald würde der Zug durch den Kanton Wallis fahren... Bald war Lausanne da, und eine Stunde später die französische Grenze bei Vallorbe.‘ Es ist 4.30 Uhr und noch eine Stunde bis Dijon. Warum dort für Bond die Reise endet, und nicht in Paris, das beruht auf Ereignissen, die den Gipfelpunkt – oder beinahe den Gipfelpunkt – der Handlung bilden.“ [E. H. Cookridge: Abenteuer Orient-Express. München (Heyne Verlag) 1980. Seiten 275 f. – Die Zitate in dem Text beziehen sich auf den Roman von Fleming.]
Hinweis zum Film:
Autoren dieser Filmbesprechung: Manuel Gurtner, Lothar Behlau, Joachim Biemann
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