Eisenbahn im Film  –  Rail Movies 
 

 

 

 

The Secret Ways

 

Art: Spielfilm
Produktion: USA 1961
Regie: Phil Karlson
Farbe
Laufzeit: 112'
deutscher Verleih-Titel: „Geheime Wege“

 

Inhalt

Der abgebrannte Glücksritter Mike Reynolds (Richard Widmark) lässt sich in Zürich vom Schweizer Bankier Hermann Scheffler (Hubert von Meyerinck) anheuern, um den ungarischen Dissidenten Professor Jancsi (Walter Rilla) von Budapest in den Westen zu schleusen, da dessen Widerstandgruppe aufzufliegen droht. Einziger Anhaltspunkt für Reynolds ist ein Foto von Jancsis Tochter Julia (Sonja Ziemann), die sich nach ihrer Flucht durch den „Eisernen Vorhang“ in Wien aufhalten soll. Dem smarten wie abgebrühten US-Amerikaner gelingt es zwar, Julia aufzustöbern, die ihre prominente Identität allerdings verleugnet. Gleichzeitig wird Reynolds von ungarischen Exilanten um den „Grafen“ (Charles Regnier) beschattet, welche ihm zur Abschreckung schließlich eine Abreibung verpassen. Unterschlupf findet Reynold vorübergehend bei der verführerischen Elsa (Senta Berger). Sie arbeitet aber ebenfalls für den „Grafen“, welcher einer Fluchthelferorganisation vorsteht.

Während des nächtlichen Treffens mit Julia stellt sich heraus, dass sich diese unfreiwillig in der österreichischen Hauptstadt aufhält. Dort sucht sie nach einem Weg, nach Ungarn zurückkehren zu können, um ihrem Vater im politischen Kampf gegen das kommunistische Regime beizustehen. Schefflers Plan sieht vor, dass Reynolds getarnt als Zeitungsreporter in den Ostblock einreisen soll, weshalb Julia schließlich vorschlägt, ihn als „Sekretärin“ zu begleiten. Das lehnt der US-Amerikaner aber kategorisch ab. Anderntags, während der Abfahrt des Zuges in Richtung Budapest, kreuzt Julia plötzlich in Reynolds Abteil auf, getarnt als dessen Dolmetscherin.

 

Allgemein

Die überzeugende Mischung aus Polit-Thriller und Flucht-Drama wurde von Hauptdarsteller Richard Widmark für Universal Pictures produziert, derweil seine Gattin Jean Hazlewood das Drehbuch verfasste, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Alistair McLean. Angeblich übernahm Widmark in der Folge auch einen Großteil der Regie, weil es zu Differenzen mit Phil Karlson kam. Dies dürfte auch die äußerst gradlinige und schnörkellose Inszenierung erklären, welche dem Streifen einen bisweilen halbdokumentarischen Touch verleiht, wobei gewisse Anleihen bei Carol Reeds „Der dritte Mann“ (GB 1949) nicht von der Hand zu weisen sind. Und auch die eingängige Filmmusik von John „Johnny“ Williams lässt bereits sein Ausnahmetalent erahnen, dass ihn spätestens mit dem Soundtrack für „Der weiße Hai“ (USA 1975) berühmt machte.

 

Eisenbahn

Die Dreharbeiten fanden hauptsächlich in Wien statt, das zudem als Kulisse für Budapest diente. Für das Intro und die relativ kurze Episode zu Beginn mit der Anwerbung von Reynold durch Scheffler wurde jedoch extra am Originalschauplatz in Zürich gefilmt. Der Vorspann zeigt die Landung der viermotorigen Swissair-Maschine HB-IBM „Basel Stadt“ vom Typ Douglas DC-7C in Zürich-Kloten. Anschließend erfolgt die Taxi-Fahrt in die Zürcher Innenstadt, wobei die Einstellung am Central auch zwei meterspurige Tramzüge der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) zeigt: im Vordergrund ein vierachsiger VBZ-Motorwagen vom Typ Be 4/4 „Elefant“ (Serie 1301 bis 1350, Hersteller SWS/MFO, Baujahre 1929 bis 1931) mit zweiachsigem Anhänger in Richtung Hauptbahnhof, im Hintergrund ein vierachsiger VBZ-Triebwagen vom Typ Be 4/4 „Pedaler“ (Serie 1501 bis 1518, Hersteller SWS/BBC, Baujahre 1941 bis 1946), mutmaßlich auf der Linie 4.

Mit dem Orient-Express durch den „Eisernen Vorhang“

Für eine Hollywood-Produktion verblüffend authentisch wirkt auch die filmische Umsetzung der Bahnreise von Wien nach Budapest, welche außergewöhnlich sorgfältig und mit entspechendem Aufwand inszeniert wurde. Die erste Einstellung zeigt Hauptdarsteller Richard Widmark in der riesigen Schalterhalle des Westbahnhofs, als er die Treppe nimmt, welche zu den Perrons hinaufführt. Nach dem Passieren der Bahnsteigsperre und der Passkontrolle geht Reynolds dem Zug entlang. Dieser stellt sich aufgrund der Laufwegschilder als Orient-Express (O. E.) nach Bukarest heraus, wobei dessen 1956 nochmals in Verkehr gebrachter CIWL-Schlafwagen nach Budapest schon drei Jahre später wieder eingestellt und durch einen schäbigen Sitzwagen ersetzt worden war.

Zuerst kommt der Kurswagen nach Bukarest ins Bild, bei dessen Zuglaufschild aus „Budapest“ durch entsprechende Manipulation von zwei Buchstaben kurzerhand „Bukarest“ wurde, gefolgt vom Kurswagen nach Budapest. Beim Anfahren des Zuges ist von der Dampflok gerademal die untere Partie der Rauchkammertür und der Bereich der Pufferbohle mit den Stirnlampen zu sehen. Es bleibt daher unklar, ob es sich um die damalige Regelbespannung des O. E. im Abschnitt Wien–Hegyeshalom mittels der ÖBB-Reihe 77.2 (mit Lenz-Ventilsteuerung) handelt oder aber um die später im Film gezeigte ÖBB-Maschine der Reihe 77.0 (mit Kolbenschieber). Die darauf folgenden Szenen spielen im Abteil und entstanden unter Anwendung der gängigen Rückprojektionsmethode, welche aber in bezug auf das Abteil- und das Seitengangfenster nicht durchwegs korrespondieren. Derweil entpuppt sich der freundliche Herr gegenüber von Reynolds und Julia in der Folge als Spitzel der ungarischen Staatsicherheit.

Die nächste Episode spielt bereits in Hegyeshalom und zeigt die Einfahrt des einstmaligen Luxuszuges auf Gleis 2, worauf alle Fahrgäste aussteigen müssen, um das Empfangsgebäude aufzusuchen zwecks der strengen Einreisekontrolle am „Eisernen Vorhang“. Gedreht wurde zwar auf der Ostbahn (Kursbuchstrecke 700), also auf der vom O. E. seit 1951 wieder befahrenen Originalroute. Dabei musste aber der entsprechend umbeschilderte Bahnhof von Bruck an der Leitha als Kulisse für die ungarische Grenzstation herhalten, deren Gleise in Wirklichkeit seit 1932 mit Fahrdraht (Einphasenwechselstrom 15 kV/50 Hz) überspannt sind. Nebst den altösterreichischen Formsignalen ist erstmals die gesamte Garnitur zu sehen und dokumentiert mit der korrekten Wagenreihung den Orient-Express des Winterfahrplans 1960/61, also kurz vor der Beschränkung auf Wien:
 

ÖBB-FahrzeugGattungBemerkung
Tenderlok 77.33ex BBÖ 629 (2’C1’h2t) 
Gepäckwagen Wien-BudapestPw 4üh 60382 1)
Sitzwagen Wien-BudapestB 4üh 30358 2)
Sitzwagen Wien-BukarestB 4üh 3)
 
 Abkürzungen:
 ÖBB= Österreichische Bundesbahnen
 BBÖ= Bundesbahnen Österreich (1923 bis 1947)
 MAV= Ungarische Staatbahnen
 SNCF= Französische Staatsbahnen
 
 Ziffernerklärungen:
  1)als MAV-Gepäckwagen Wien-Budapest*
  2)als ÖBB-Kurswagen Wien-Budapest*
  3)als SNCF-Kurswagen Paris-Bukarest*
 
* gemäß Zugbildung des O. E. Anfang 1961
© 2013-2015 GUR

 

Anschließend an den vor allem für Julia nervenaufreibenden Grenzaufenthalt entern die wenigen Passagiere wieder die beiden Kurswagen, worauf der Zug weiter in Richtung ungarische Metropole dampft. Derweil ist links im Hintergrund das Heizhausgelände mit dem vierständigen Lokschuppen zu erkennen. Hinsichtlich des hier ansonsten durchgeführten Traktionswechsels der MAV mit dem Umspannen auf eine Elektrolok der Baureihe V55 (Achsfolge Bo’Co’, Serie V55.001 bis 012, Hersteller Ganz/MAVAG, Baujahre 1950 bis 1957) folgt im Film völlig unpassend eine Archivaufnahme mit einer Schlepptenderlok der Baureihe 38.10-40 (2’Ch2, Baujahre 1906 bis 1923), mutmaßlich der Deutschen Reichsbahn, welche auf offener Strecke aus einem parallel fahrenden Auto gefilmt wurde.

Die Ankunft des Orient-Express im Budapester Ostbahnhof inszenierte man notgedrungen auf einem entsprechend ausgeschilderten Perron des Wiener Franz-Josefs-Bahnhofs, der aber eine äußerst glaubwürdige Kulisse abgibt. Der während des Zweiten Weltkriegs arg in Mitleidenschaft gezogene Kopfbahnhof konnte bereits kurz nach Kriegsende als erster der Wiener Fernbahnhöfe den Betrieb wieder aufnehmen und diente übrigens 1967 als Drehort für das Historiendrama „Mayerling“ (GB/F 1968).

 

Autor dieser Filmbesprechung: Manuel Gurtner
Online: 20.12.2015

 

Hier sind Sie:
  • „Eisenbahn im Film – Rail Movies“, Extra-Info
Zur Film-Liste „Eisenbahn im Film – Rail Movies“:
  • hier klicken (die Tabelle wird stets neu geladen)
  • falls die Tabelle bereits geladen ist: je nach Browser-Version über die Task-Leiste oder über ein dafür bereits zuvor geöffnetes internes Fenster
Navigation: Tipp: Sie haben bei Ihrem aktuellen Besuch der Tabelle (Hauptliste) bereits Extra-Infos abgerufen, diese aber nicht „geschlossen“: neu angeklickte Extra-Infos stets (je nach Browser-Version) über die Task-Leiste oder im entsprechenden internen Fenster einsehen.