Eisenbahn im Film – Rail Movies |
Strangers on a Train
Art: Spielfilm
Titel-Angaben, notiert von Joachim Biemann nach der am 03.01.1993 vom ZDF ausgestrahlten deutsch synchronisierten Fassung (Versalien des Vorspanns hier nicht verwendet):
InhaltManuel Gurtner fasst das Geschehen zusammen: „Meisterhafte Verfilmung der gleichnamigen Erzählung von Patricia Highsmith: Im Expresszug der ‚New Haven‘ von Washington D.C. nach New York City wird der Tennisstar Guy Haines (Farley Granger) im ‚Parlor car‘ von einem ihm Unbekannten in ein belangloses Gespräch verwickelt. In der Folge outet sich sein Gegenüber namens Bruno Anthony (Robert Walker) als grosser Fan von Guy, weshalb die beiden Männer den Lunch in Brunos Pullman-Abteil einnehmen und worauf dieser mit der Theorie des anscheinend perfekten Doppelmordes an Guy herantritt. Wohlwissend, dass sich Haines’ ungetreue Gattin Barbara (Kasey Rogers) einer geplanten Scheidung wiedersetzt, anerbietet sich der offensichtlich geistesgestörte Bruno, Barbara aus dem Weg zu räumen, wenn Guy als Gegenleistung Brunos verhassten Vater (Jonathan Hale) umbringt.“
EisenbahnWashington, D.C.: Blick aus einer torartigen Straßeneinfahrt der Union Station nach außen, weit hinten die Kuppel des Capitols. Durch das Tor fahren zwei „Diamond Cab“-Taxis vor, denen jeweils ein Mann entsteigt. Von beiden sieht man nur die Beine, einer der Männer trägt weiße Gamaschen. Nach der Ankunft begeben sie sich durch das Empfangsgebäude zum Bahnsteig, begleitet von Gepäckträgern, die wie alle Passanten ebenfalls ausschließlich als anonyme Personen gefilmt sind. Lediglich ein Bediensteter am Zugang zum Bahnsteig ist in dieser Szenenfolge mit seinem Gesicht und daher als Individuum zu erkennen. Anschließend zeigt eine Fahrtaufnahme in niedriger Perspektive nach vorn die Weichenstraßen eines Bahnhofs, der laut Railway movies in Los Angeles zu lokalisieren ist. Im Parlor car eines Zugs setzt sich der Gamaschen-Mann (weiterhin sind nur seine Beine zu sehen) auf einen Stahlrohr-/Ledersitz, während ihm gegenüber der andere, nur hüftabwärts sichtbare Mann Platz nimmt. Eine knappe Berührung der beiderseitigen Schuhe, und erstmals erhalten die „Besitzer“ der Beine Gesicht und Stimme: Tennisstar Guy Haines (Farley Granger) und Bruno Anthony (Robert Walker), dieser mit den Gamaschen an den Schuhen. Gespräch unter FremdenBruno initiiert jetzt ein Gespräch mit Guy, wobei auch die Reiseziele genannt werden: New York (Bruno) und – nicht ganz so weit – „Metcalf“ (Guy). Bruno erweist sich als außerordentlich gut informiert über Guy. In einem Waggon macht er ihm dann „theoretische“ Vorschläge zum Mord an Guys Ehefrau und an Brunos Vater. Die Einstellungen in diesem Waggon analysiert Manuel Gurtner: „Von der räumlichen Dimension her – also mit nur einem Waggonfenster – kommen als Abteil-Typen entweder der ‚Compartment‘ oder der kleinere ‚Roomette‘ in Frage, da bereits der ‚Drawing Room‘ und der noch größere „Double Bedroom‘ zwei Waggonfenster aufweisen, ganz zu schweigen vom luxuriösen ‚Master Bedroom‘. Anhand der beidseitig vom Abteilfenster montierten Wandleuchten handelt es sich meines Erachtens um ein großzügig bemessenes ‚Crosswise Compartment‘ (Bettenanordnung kreuzweise), wobei Bruno während des Lunchs rechts auf dem unteren Bett (in Tagesstellung) und Guy links im zugehörigen Sessel sitzt. Pullman-Passagiere hatten nach Möglichkeit das Privileg, den Speisewagendienst auch im eigenen Abteil in Anspruch zu nehmen.“ Die Szenenfolge wurde in Waggons gedreht, bei denen es sich vermutlich um Kulissenbauten im Film-Atelier handelte; per Rückprojektion wurde der Blick nach außen eingefügt. Nachdem Guy sich pikiert, aber höflich von Bruno verabschiedet hat, blendet der Film zu einem Bahnübergang über (Ansicht von oben, im Gegenlicht). Hinten ist ein in einer Krümmung liegender Bahnhof zu erkennen, auf dem ein Reisezug anhält. Schnitt: An einem bogenförmigen Bahnsteig fährt ein Reisezug der New Haven ein. Das Bahnsteig-Dach ist für die weiteren Bahnhofsszenen dieses Orts charakteristisch, denn seine Träger weisen eine auffällige Rippen-Struktur auf. Es folgt die „Cameo“ (also der traditionelle Kurzauftritt Hitchcocks in seinen Filmen): „Hitch“ steigt mit einem Kontrabass-Koffer in einen Waggon genieteter Bauart (ein „commuter coach“) der 3. Klasse ein, unmittelbar nachdem Guy dort ausgestiegen ist. Hin und her in ZügenNach einer wenig erfreulichen Begegnung mit seiner Frau kehrt Guy zum Bahnhof zurück, wo er telefoniert. Im Hintergrund fährt währenddessen ein Güterzug durch, gezogen von einer hörbaren, im Bild aber nicht sichtbaren Dampflok. Bruno, der hartnäckig den weiteren Kontakt zu Guy sucht, kommt dann mit dem Zug von New York zurück nach „Metcalf“. Dabei fahren in seinem Zielbahnhof Waggons geschweißter Bauart ein; die Einstellung mit dem aussteigenden Bruno wurde wieder mit dem genieteten Waggon von der Cameo gedreht. Auch im weiteren Verlauf des Films reisen die beiden Protagonisten unabhängig voneinander immer wieder hin und her, um von einem Schauplatz der finsteren Handlung zum nächsten zu gelangen. Die Zugfahrten erinnern an abwechselnde und gegenläufige Züge in einem Brettspiel und vielleicht mehr noch an die permanenten Positionswechsel während eines Tennisspiels, also Guys Profession. Es sind Szenen zu sehen in einem Observation Car (nachts), im Reisezugwaggon (der Parlor car?), abermals im Bahnhof „Metcalf“ (Empfangsgebäude auch von der Straßenseite) sowie in einem monumentalen Großstadtbahnhof (Auto-Vorfahrt im Gebäude, Empfangshalle, Fahrkartenverkauf; anhand der steinernen Buchstaben „U N [...]“ an einer Wand lässt sich vermuten, dass es sich um eine Union Station handelt, also um einem Bahnhof, der mehreren Bahngesellschaften dient). Auch die Schlusssequenz mit Guy und seiner zukünftigen zweiten Ehefrau spielt im Zug. Union Station, Washington, D. C.Die im Intro gezeigte Union Station in Washington wurde als damals „größter Bahnhof der Welt“ am 27.10.1907 eröffnet und 1908 endgültig fertiggestellt. Bauherrin war die Pennsylvania and Baltimore & Ohio Railroad, die Baukosten betrugen rund 125 Millionen Dollar. Das monumentale neoklassizistische Empfangsgebäude von Architekt Daniel Burnham beeindruckte durch die Verwendung von Marmor und Granit sowie durch die teilweise mit Blattgold verzierten Decken. Nachdem das Gebäude in den 1960er Jahren infolge des zurückgehenden Eisenbahnbetriebs verfiel, startete man einen erfolglosen Versuch, es in ein Besucherzentrum umzuwandeln. 1981 bis 1988 wurde es in den Originalzustand zurückversetzt, wobei es seither Shops, Restaurants und Kinos beherbergt. Der Bahnbetrieb spielt sich jetzt in einem neuen Amtrak-Terminal ab. Bahnhof „Metcalf“Als Eisenbahn-Drehort in „Metcalf“ diente der entsprechend umbeschilderte Bahnhof Danbury, Connecticut. Er wurde am 13.07.1903 eröffnet von der „New York, New Haven & Hartford Railroad“ (kurz: New Haven, NH). In ihn münden vier Strecken:
Ungewöhnlich war die Anlage des Bahnhofs Danbury: Von den von Nordosten kommenden, vereinigten Berkshire-/Highland-Linien zweigte nach Süden ein Gleis in der Art einer Wendeschleife ab, an die sich wiederum nach Südosten die Danbury Line anlegte. Innerhalb der Schleife befanden sich ein Güterbahnhof und ein Bahnbetriebswerk mit Ringlokschuppen. Im Zwickel zwischen der Maybrook Line und der Schleife lag das Empfangsgebäude. Es wies einen symmetrischen, L-förmigen Grundriss auf (Öffnung des Winkels zur Schleife), zu dessen beiden Seiten sich flügelartig die wegen der Gleisschleife im Bogen liegenden Bahnsteigdächer erstreckten. Den historischen, inzwischen stark heruntergekommenen Bahnhof Danbury legte die Metro-North im Mai 1993 still. Ein neuer Bahnhof am südlichen Teil der Schleife dient jetzt dem Bahnverkehr in Richtung New York. Auf dem Gelände des vormaligen Güterbahnhofs in der Schleife siedelte sich im Februar 1994 das Danbury Railway Museum an. Es stellte das alte Empfangsgebäude 1995 im ursprünglichen Zustand wieder her. Die oben erwähnte Szene im Gegenlicht zeigt in nördlicher Blickrichtung den Bahnübergang White Street, vorne die nicht besonders deutlich erkennbare zweigleisige Maybrook Line (links die Bahnsteigkante, davor offenbar ein schrägwinklig abzweigendes Einzelgleis) und darüber die von außen gesehene Gleisschleife. Über den einfahrenden, seiner Bauart nach nicht identifizierbaren Reisezug sind keine Aussagen möglich, weil die Danbury-Schleife von drei der dorthin führenden Strecken aus in jeder Richtung unmittelbar angefahren und ohne Kopfmachen wieder verlassen werden konnte. Die Route Washington–„Metcalf“–New York, die Bruno und Guy zu Beginn der Filmhandlung fahren, passt natürlich nicht zu den realen Drehorten, denn Danbury liegt nördlich von New York. Aber schließlich ist „Strangers on a Train“ kein Dokumentarfilm. Die Geschichte der New Haven im Überblick
Autoren dieser Filmbesprechung: Joachim Biemann und Manuel Gurtner, die Datengrundlage zur Geschichte der NH
stellte größtenteils Georg Hoffmann zur Verfügung.
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