Eisenbahn im Film  –  Rail Movies 
 

 

 

 

Around the World in 80 Days

 

Art: Spielfilm
Produktion: USA 1956
Regie: Michael Anderson
Farbe: Technicolor
Laufzeit: 175’
deutscher Verleihtitel: „In 80 Tagen um die Welt“

 

Inhalt

Spektakuläre, mit fünf Oscars – unter anderem als „Bester Film“ – ausgezeichnete Verfilmung des berühmtesten Romans von Jules Verne: Um seine Wette über 20 000 Pfund Sterling gewinnen zu können, muss Phileas Fogg (David Niven) mit seinem getreuen Diener Passepartout (Cantinflas) die Welt in 80 Tagen umrunden, wobei 1872 der Eisenbahn im Landverkehr eine überragende Rolle zukommt.

 

Eisenbahn

Zu sehen sind im wesentlichen zwei längere Eisenbahn-Episoden. Einerseits die in Indien spielende, als es darum geht, den Subkontinent schnellstmöglich zu durchqueren. Das scheitert aber fast daran, dass die Bahnstrecke von Bombay nach Calcutta noch nicht fertiggestellt ist – was übrigens nicht den historischen Fakten entspricht. Und andererseits dann die transkontinentale Bahnfahrt durch Nordamerika, welche in der Folge mit baufälligen Holzbrücken und Indianerattacken zu kämpfen hat.

Die indische Episode

Die „indische“ Episode lässt bei genauerer Betrachtung die Vermutung zu, dass die eigentlichen Eisenbahn-Szenen durch das für Asien zuständige Second Unit Team vor Ort – eventuell in Pakistan – generiert wurden, also gänzlich ohne Mitwirkung der Protagonisten. Zum einen ist der Zug – falls überhaupt vorhanden – nie in der Totalen zu sehen, und zum anderen kommt die vermeintliche Dampflok ebenfalls nie ins Bild, obwohl gewisse Streckenaufnahmen mit einer an der Spitze des Zuges positionierten Kamera gedreht wurden, von dessen Lok aber nur der Schattenwurf zu erkennen ist. Die restlichen Szenen spielen entweder im Abteil – mit entsprechender Rückprojektion im Atelier gedreht – oder ganz nah am Zug, wie beispielsweise auf dem Bahnsteig bei der Abfahrt in Bombay oder dann auf offener Strecke im Dschungel (Szene mit Ronald Colman).

Die nordamerikanische Episode

Der in bezug auf die Eisenbahn-Szenen dramatische Höhepunkt des Films ereignet sich während der „nordamerikanischen Episode“ auf der seit 1869 bestehenden Transkontinentalstrecke von San Francisco durch die Rocky Mountains in Richtung Chicago beziehungsweise New York, als der Zug eine durch Hochwasser instabil gewordene Holzbrücke überqueren soll. Nachdem der relativ kurze Zug zurückgesetzt hat, wird die Holzkonstruktion mit Schwung passiert, doch kollabiert das imposante Bauwerk, kaum dass der letzte Waggon das Ende der Trestle erreicht hat.

„Consolidation“ Nº 315 der D&RGW alias Nº 60 „Jupiter“

Die Dreharbeiten fanden auf dem weitläufigen Schmalspurnetz des US-Bundesstaates Colorado statt, wobei einerseits auf der berühmten „Highline“ zwischen Durango und Silverton und andererseits in der Umgebung von Hesperus und Arboles inszeniert wurde. Zum Einsatz kam die Schlepptenderlok Nº 315 vom Typ „Consolidation“ (Achsfolge 1’D) mit einer Spurweite von 914 Millimeter, welche ursprünglich innerhalb einer Serie von insgesamt fünf Maschinen (Nº 315 bis Nº 319) im Zeitraum von 1885 bis 1897 bei Baldwin gebaut worden war. Bis 1917 bei der „Florence & Cripple Creek“ im Einsatz, erfolgte anfangs der 1920er Jahre der Weiterverkauf an die nachmalige „Denver & Rio Grande Western“ (D&RGW), wo die Loks als Reihe C-18 klassifiziert wurden.

Die meiste Zeit im Depot von Salida stationiert, wurde Lok N° 315 vor allem im Vorspanndienst auf der Strecke zwischen Gunnison und Montrose sowie auf der Zweiglinie nach Ouray eingesetzt. In den frühen 1940er Jahren beschaffte die D&RGW weitere Exemplare der K-Klasse vom Typ „Mikado“ (Achsfolge 1’D1’), weshalb die „Consolidation“ aus dem Streckendienst verdrängt und in der Folge noch im Verschiebedienst eingesetzt wurden. Dieses Schicksal betraf auch die Nº 315, welche vorerst in Salida remisiert blieb und später in das Depot nach Durango versetzt wurde, wo die Lok weiterhin Rangieraufgaben wahrnahm.

Nach der letzten Hauptuntersuchung kam die Schlepptenderlok 1949 erstmals zu Kinofilm-Ehren, als die Maschine von „Warner Brothers“ angemietet und in „Colorado Territory“ von Raoul Walsh verwendet wurde. Nach der Ausmusterung anno 1950 vermachte man die Nº 315 der städtischen Handelskammer von Durango für Denkmalzwecke. Die Behörde ließ die „Consolidaton“ jedoch in den D&RGW-Werkstätten optisch in den Zustand der 1870er Jahre rückverwandeln, weshalb die Lok epochegerecht mit einem kegelförmigen Funkenfänger sowie einer charakteristischen Frontlaterne ausgestattet wurde. Beim so genannten „Cowcatcher“ (Bahnräumer) handelte es sich ursprünglich um ein – notabene hölzernes – Requisit von Maschine Nº 20 (Achsfolge 2’C) der „Rio Grande Southern“, welche 1950 in „Ticket to Tomahawk“ als „Emma Sweeny“ fungiert hatte.

Die Paraderolle als Lok Nº 60 namens „Jupiter“ in „Around the World in 80 Days“ anno 1955 war zugleich der letzte Einsatz, wobei die ehemalige D&RGW-Maschine schon dazumal aufgrund eines Kesselschadens nicht mehr betriebsfähig war. Die Traktion des Zuges übernahm deshalb eine Diesellok (Achsfolge Bo’Bo’), welche – als Gepäckwagen getarnt – unmittelbar hinter der „Consolidation“ eingereiht war. Um die Illusion eines authentischen Dampfrosses aufrechtzuerhalten, war im Schlepptender der Wassertank entfernt und nebst einem Dampfaggregat auch ein Rauchgenerator eingebaut worden.

Der Animas Canyon „en miniature“

Die im Original über 30 Meter hohe Balkenbrücke der Bauart „Trestle“ befand sich bei Rockwood im Abschnitt des Animas Canyon und diente der D&RGW – damals noch im regulären Betrieb – zur Überquerung des Animas River, weshalb an eine Zerstörung der Holzkonstruktion nicht zu denken war. Somit baute man die ganze Szenerie im Maßstab 1:6 in den Hügeln von Hollywood originalgetreu nach, indem ein geeigneter Geländeeinschnitt anhand von zuvor am Originalschauplatz erstellter Photografien zu einer äußerst realistisch wirkenden Miniatur-Schlucht ausgestaltet wurde. Planung und Ausführung nahmen mehrere Wochen in Anspruch, musste doch tonnenschweres Stein- und Felsmaterial plaziert und unzählige Bäume „gepflanzt“ werden, welche jeweils aus einem präparierten Stamm der Yuccapflanze und Ästen aus zurechtgestutzten und farblich nachbehandelten Wachholderbüschen hergestellt wurden. In dieser Zeit wurde zudem ein künstliches Flussbett angelegt, welches durch ein getarntes Wasserreservoir gespeist wurde und zusammen mit den hinter Felsblöcken plazierten Wasserpumpen – zum Generieren der Stromschnellen – schließlich die authentische Simulation eines reißenden Gebirgsflusses erlaubte.

Zum Einsatz kam ein Modellzug in der Spurweite von 121 Millimeter, welcher sich in etwa am bereits für die Realszenen verwendeten Rollmaterial der D&RGW orientierte. Vorneweg agierte eine Echtdampf-Lok – im Gegensatz zur Original-Lok aber vom Typ „Ten-wheeler“ (Achsfolge 2’C) –, welche zusätzlich mit einer Rauchpatrone im Schlot ausgerüstet war, um eine realistische Qualmentwicklung zu erzielen. Die drei Waggons wiesen zudem eine mit Batterie betriebene Innenbeleuchtung auf, da die ganze Brücken-Sequenz während der einbrechenden Nacht spielen sollte.

Um jetzt die Modellbrücke realistisch und im exakten Zusammenspiel mit dem darüberfahrenden Zug zum Einsturz bringen zu können, wurden innerhalb der originalgetreuen Holzkonstruktion verborgene Kabel angebracht, die an die Basis hinuntergeführt und dann in einem im Flussbett plazierten beweglichen Vier-Zoll-Rohr gebündelt wurden. Das langsame Drehen des Rohres mittels einer Motorwinde sorgte in der Folge dafür, dass das Kollabieren der Trestle perfekt in Szene gesetzt werden konnte. Währenddessen wurde der Modellzug in der Geschwindigkeit von 1,5 Meter pro Sekunde mittels einer von Hand betätigten Seilwinde über die Brücke geschleppt. Die etwa halbminütige Einstellung, welche keinen Test erlaubte und unbedingt im ersten Anlauf klappen musste, verursachte Kosten von 40 000 US-Dollar.

Nach dem Zwischenfall mit den Indianern muss sich die Reisegruppe um Phileas Fogg um ein adäquates Fortbewegungsmittel bemühen und stößt schließlich auf eine ausrangierte Handhebel-Draisine, welche flugs mit einem Windsegel ausgerüstet wird, so dass es gelingt, den Zug wieder einzuholen. Auch diese Szenen entstanden auf einer der D&RGW-Schmalspurlinien unweit von Durango, wobei es sich in der Tat um eine modifizierte Motor-Draisine handelte. Das vermeintliche alte Segel bestand aus einer Kombination von Glasfiber und Plastik und wies bereits die Form auf, als würde es vom Wind aufgebläht, um unabhängig von den tatsächlichen Windverhältnissen drehen zu können.

Der „Ozean“ von Culver City

Um den immensen Aufwand bei dieser 5 Millionen US-Dollar teuren Produktion – seinerzeit einer der kostspieligsten Filme überhaupt – noch weiter vor Augen zu führen, soll auch ein nicht eisenbahn-spezifischer Aspekt beleuchtet werden, und zwar anhand der realistischen und daher äußerst eindrücklichen Schiffssequenzen zwischen Suez und Bombay, Calcutta und Singpore sowie Yokohama und San Francisco. Zwar wurde an Originalschauplätzen in dreizehn Ländern gedreht – die Protagonisten waren nur in England, Spanien, Indien und Japan zugegen –, doch entstanden manche der Szenen aus produktionstechnischen Gründen dank aufweniger Spezialeffekte in Hollywood.

Der „Indische Ozean“ beziehungsweise der „Pazifik“ befand sich in Tat und Wahrheit in den Filmstudios von Culver City und bestand aus einem Betonbecken mit einer Länge von knapp 110 Metern und einer Breite von gut 91 Metern. Das Wasser – in einem naturgetreuen Blau gefärbt – wies eine Tiefe von knapp einem Meter auf, wobei sich diese gegen das eine Ende des Beckens hin auf etwa 60 Zentimeter verringerte. Dadurch war gewährleistet, dass das Wasser in eine versteckte Abflussrinne überlaufen konnte, um dann ständig zurückgepumpt zu werden, so dass sich ein realistischer Horizont ergab. Hinter der Abflussrinne befand sich eine über 15 Meter hohe Leinwandkulisse mit aufgemaltem Wolkenhimmel, welche den vor lauter Smog braun wirkenden Originalhimmel von Los Angeles verbergen sollte.

Hinzu kamen Windmaschinen und Wellenaggregate entlang des (der Kamera abgewandten) seitlichen Beckenrandes, welche für einen entsprechenden „Seegang“ sorgten. Vor der Kamera agierten dann insgesamt drei schwimmfähige und bis ins kleinste Detail nachgebaute Miniaturschiffe, deren Vorbilder aus den 1870er Jahren stammten. Ein Exemplar mit einer Länge von 7 Metern war der britischen „Mongolia“ – einem Schraubendampfer der Peninsular & Oriental – nachgestaltet, wobei das Modell im Gegensatz zum ursprünglichen Schoner als Dreimast-Brigg getakelt war. Ein weiteres, sogar 8,2 Meter langes Modell fungierte dann als „General Grant“ – gemäß Romanvorlage ein US-amerikanischer Schaufelrad-Dampfer der Pacific Mail Steamship Company –, welches schließlich als Clipper mit Dreimast-Vollschiff-Takelung ausgeführt war.

Um dann die entsprechenden Szenen ebenso realitätsnah auf Zelluloid zu bannen, war jeweils über ein Dutzend Techniker unter der Leitung von Lee Zavitz an der Arbeit, wobei deren Einsatz nach einem ausgeklügelten Zeitplan erfolgte. Jedes der Miniaturschiffe war an einem Unterwasserkabel befestigt, welches die Modelle mit der zur Kamera abgestimmten Geschwindigkeit durch den Studio-Ozean schleppte. Dampf und Rauch, mittels Rauchpatronen erzeugt, wurde über eingebaute Hilfsmotoren ausgestoßen. Kleine beweglichen Figuren auf Deck konnten mittels batteriebetriebener Kleinmotoren belebt werden. Die Bug- und Heckwellen wurden durch Wasserstrahlen erzeugt, welche von Miniaturpumpen stammten, die unterhalb der Wasserlinie an den Schiffsmodellen angebracht waren.

 

Autor dieser Filmbesprechung: Manuel Gurtner

Anmerkung von Joachim Biemann: Die Dampflok, die in der nordamerikanischen Episode auftaucht, trägt an ihrer Rauchkammertür die Nummer 60.

Online: 23.02.2003
Version vom 29.04.2006
Status: 30.04.2006
html-Status: 13.10.2009

 

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