Eisenbahn im Film  –  Rail Movies 
 

 

 

Love and Bullets

 

Art: Spielfilm
Produktion: Großbritannien 1979
Regie: Stuart Rosenberg
Farbe: Metrocolor
Laufzeit: 103'
deutscher Verleih-Titel: „Ein Mann räumt auf“

 

Inhalt

Charlie Congers (Charles Bronson) ist ein abgebrühter Cop aus Phoenix (US-Bundesstaat Arizona), welcher den Mafioso Joe Bomposa (Rod Steiger) als Boss eines Drogensyndikats unbedingt in den Knast bringen will. Deshalb reist der Lieutenant im Auftrag des FBI 1) inkognito in die Schweiz, um Jackie Pruit (Jill Ireland) – die naive Ex-Geliebte des Drogenbarons, welche in einem „goldenen Käfig“ bei Zermatt kaltgestellt wurde – als Kronzeugin in die USA zurückzuholen.

   

1) Federal Bureau of Investigation (US-amerikanische Bundespolizei)

 

Eisenbahn

Diese touristisch nicht uninteressante Odyssee, welche zuerst in den Kanton Wallis nach Zermatt und über das Berner Oberland bei Kandersteg zurück an die Gestade des Genfersees nach Montreux und Genf führt, kann oberflächlich betrachtet durchaus unter dem Motto „Trains, Planes and Automobiles“ zusammengefasst werden. Nebst diversen skurrilen Einfällen – beispielsweise kämpft der Mafiaboss mit dem Handikap des Stotterns, wogegen einer seiner Killer offensichtlich schwerhörig ist – wartet der teilweise parodistisch gefärbte Action-Thriller auch mit den bei anglo-amerikanischen Produktionen üblichen geografischen Ungereimtheiten auf.

Immerhin fanden die Dreharbeiten in der Schweiz im Frühwinter 1978 durchwegs an den Originalschauplätzen statt – Co-Produzent Sir Lew Grade konnte dabei auf seine Erfahrungen aus „The Cassandra Crossing“ zurückgreifen – was dem britischen Streifen dennoch das gewisse Etwas verleiht. Einer der Höhepunkte dieser mitunter turbulenten Verfolgungsjagd ist ein spektakulärer Stunt, bei dem der Held seinen Wagen von einem fahrenden Autozug herunter und über die Bahnböschung hinab in den Tiefschnee steuert, um sich und die Kronzeugin vor der Mafia zu retten.

Von Phoenix (AZ) nach Zermatt (VS)

Charlie fliegt mit einem TWA-Jumbo (Boeing 747-131) direkt von New York nach Genève-Cointrin, von wo es mit einem roten Peugeot 504 – ein AVIS-Mietwagen mit der Genfer Kfz-Nummer GE 4970 – weiter in Richtung Zermatt geht. Am Bahnhof Stalden-Saas parkiert Congers den Wagen und entert danach den Pendelzug Brig–Zermatt der meterspurigen Brig-Visp-Zermatt-Bahn (BVZ) 2). In mehreren Einstellungen ist an der Spitze der damals noch ziemlich neuen Wendezug-Garnitur der BVZ-Gepäcktriebwagen Deh 4/4 24 „Täsch“ (Bo’Bo’, SLM/SIG/SAAS 1976) zu erkennen, welcher für Zahnrad- und Adhäsionsbetrieb ausgelegt ist. Die originalen Zweiton-Warnpfiffe wurden bei der Nachvertonung allerdings durch unpassende Hornsignale einer US-Diesellok ersetzt. Im autofreien Zermatt steigt der Cop dann an der Bahnhofstraße im ehrwürdigen Hotel „Monte Rosa“ 3) ab.

   

2) Matthias Müller ergänzt hierzu: „Charles Bronson verlässt den Bahnhof Stalden in Richtung Brig. Auf dieser Fahrt ist eine Kurve zu sehen, die sich nicht im Wallis befindet, sondern im Kanton Bern zwischen Kandersteg und Mitholz. Hier handelt es sich um eine geografische Ungereimtheit. Nach der Kurve kommt dann der Sebastiansplatz in Brig. Dort stimmt es geografisch wieder.“
 
3) ältestes Hotel von Zermatt, eröffnet 1839

Von Zermatt nach Brig (VS)

Später wird im BVZ-Pendelzug Zermatt–Brig ein bizarrer Mordanschlag verübt, als der wie erwähnt schwerhörige Ritchie (Paul Koslo) dem abtrünnigen Lobo (Michael V. Gazzo) hinterrücks eine Ahle (!) durch die Sitzlehne hindurch geradewegs ins Herz rammt. In der Folge verlassen auch Charlie und seine vermeintliche Kronzeugin den weltbekannten Wintersportort, wobei in der Bahnsteig-Szene noch das ursprüngliche Zermatter Bahnhofsgebäude im Chalet-Stil zu sehen ist, welches später einem Beton-Neubau weichen musste. In Stalden wird wieder in den nach wie vor parkierten Peugeot gewechselt, welcher aber bereits von den Gangstern um den Profikiller Vittorio Farroni (Henry Silva) observiert wird. Während der gewundenen Fahrt nach Brig hinunter bemerkt Congers im Rückspiegel schnell einmal den dunklen Mercedes mit italienischen Kfz-Schildern und entscheidet sich daher in Brig für den Autoverlad der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS) nach Kandersteg mit der Hoffnung, die Verfolger abschütteln zu können.

Von Brig nach Kandersteg (BE)

Nachdem Bronsons Wagen als erster in einer Reihe von Autos verladen worden ist, folgen eindrucksvolle Luftaufnahmen des auf der Lötschberg-Südrampe bergwärts fahrenden Autozuges. Bevor die mit der BLS-Elektrolok Re 4/4 169 „Bönigen“ (Bo’Bo’, SLM 1970) bespannte Garnitur nach einer weiten Rechtskurve in einem Tunnel 4) verschwindet, ist noch das Kreuzen mit dem talwärts fahrenden Gegenzug zu sehen. Kurz nach dem Passieren des Lötschberg-Nordportals bei Kandersteg kommt es dann zur eingangs erwähnten, äußerst spektakulären Stunteinlage, übrigens ausgeführt vom berühmten französischen Stuntman Remy Julienne, wobei der Peugeot schließlich in die Umzäumung einer Trafostation kracht, danach Feuer fängt und explodiert.

   

4) Hohtenn-Tunnel (Länge 1348 Meter), wobei die Handlung suggeriert, es handle sich bereits um den Lötschberg-Tunnel (Länge 14612 Meter)
Matthias Müller ergänzt: „In Wirklichkeit handelt es sich weder um den Lötschberg- noch um den Hohtenntunnel. Der Autozug fährt in den Eggerbergtunnel (792 Meter) und taucht erst in Kandersteg wieder auf. Zu erwähnen ist, dass der Eggerbergtunnel im Film noch einspurig ist und erst später auf zwei Fahrbahnen erweitert wurde. Der Lötschbergtunnel war schon seit dessen Eröffnung zweigleisig. Zudem verkehrt der Autoverlad Brig Kandersteg seit 1993 nicht mehr. “

Von Kandersteg nach Montreux (VD)

Nach einer Nacht in einer Alphütte 5) wird die weitere Fluchtroute ziemlich diffus insofern, als die Drehorte in bezug auf die Handlung nicht mehr linear korrespondieren, sondern für Ortskundige und/oder Eisenbahnkenner auf konfuse Art und Weise zusammengewürfelt wirken.

   

5) Matthias Müller ergänzt: „Diese Alphütte steht in Zermatt an einem Ort genannt „Unteres Moos“. Wenn man von Zermatt nach Furi zu Fuß geht, also nicht die Bergbahn nimmt, und der asphaltierten Straße folgt, kommt man direkt an dieser Alphütte vorbei. Sie sieht heute noch genau gleich aus wie damals. Noch ein kleines Detail: Die Filmemacher wollten eigentlich für den Film die Alphütte niederbrennen, was in Zermatt auf sehr viel Widerstand stieß. Daher wurde als Ersatz die Sprengung einer Trafostation (dies jedoch in Kandersteg) in den Film aufgenommen.“

Nachdem Congers und die Pruit eine verschneite Bergflanke erklommen haben, stoßen sie unvermittelt auf die Station Riffelalp der meterspurigen und mit Dreiphasen-Wechselstrom (725 V/50 Hz) elektrifizierten Gornergrat-Bahn (GGB), welche mittels Zahnstange (System Abt) von Zermatt aus den 3135 Meter hohen Gornergrat erschließt. Von den Killern in einem Helikopter verfolgt, können sich die Flüchtenden gerade noch in einen bergwärtsfahrenden GGB-Triebwagen der Reihe Bhe 4/8 (Serie 3041-3044, geliefert 1965/1975) retten, derweil rechts davon ein GGB-Triebwagen der Reihe Bhe 2/4 (Serie 30113022, geliefert 1947-1961) ausgemacht werden kann. In der Bergstation der Pendelbahn Furgg-Trockener Steg erfolgt ohne Umschweife der Wechsel in die blaue Kabine Nº 11 der LZT, welche kurz darauf talwärts schwebt.

Unvermittelt schwenkt die Szenerie wieder zurück ins Berner Oberland und zeigt den alufarbenen Wagenkasten der meterspurigen Niesenbahn (NB), deren Trasse von Niesen-Kulm (2340 Meter ü. M.) mit einem Gefälle von bis zu 68 Prozent nach Mülenen hinunterführt. Von der Talstation der NB, in der es mit einem der Gangster zu einer weiteren heiklen Konfrontation kommt, geht die atemlose Flucht zunächst über die Kanderbrücke und dann weiter auf der Heustrichstraße entlang Richtung Norden.

Schließlich wird der Held und seine Kronzeugin von einem Bauern auf seinem Motorkarren mitgenommen, worauf die folgende Einstellung bereits an der Seepromenade von Montreux spielt, wo sich der Held und sein Schützling im „Hôtel de Londres“ einquartieren, um später während einer (fiktiven) nächtlichen Schiffspassage nach Genf zu gelangen. Womöglich wurde die „La Suisse“ 6) speziell für die Dreharbeiten bei der Compagnie Générale de Navigation sur le Lac Léman (CGN) nach Ende der fahrplanmäßigen Saison gechartert. Während der abendlichen Szenerie auf der Grand-Rue kann außerdem im Hintergrund ein Trolleybus (Serie 1-18, Berna/ACMV/SAAS, 1957/58) mit Anhänger (Serie 51-56, Rochat/Moser 1966) der Verkehrsbetriebe VMCV (Vevey-Montreux-Chillon-Villeneuve) ausgemacht werden.

   

6) Schaufelrad-Dampfer mit Baujahr 1910, Flaggschiff der CGN-Flotte

 

Autoren dieser Filmbesprechung: Manuel Gurtner und Matthias Müller
Online: 05.08.2002
Version vom 18.06.2017

 

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