Eisenbahn im Film – Rail Movies |
Per qualche dollaro in più
Art: Spielfilm
Lothar Behlau bemerkt zum Titel des Films: „Dollaro“ ist Singular und müsste bei „Für eine Handvoll Dollar“ beim italienischen Titel natürlich in den Plural gesetzt werden, also „dollari“. Bei IMDb heißt es bei fast allen anderen Filmen konsequent „alcuni/cento/ millioni dollari“, nur bei zwei Filmen von Sergio Leone nicht! Entweder ist das eine Marotte von ihm beziehungsweise seinem Produzenten, oder es handelt sich um einen Übermittlungsfehler an IMDb.
InhaltDie Kopfgeldjäger Monco (Clint Eastwood) und Colonel Mortimer (Lee van Cleef) sind beide hinter dem psychopathischen Bandenführer „El Indio“ (Gian Maria Volonté) her, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Während es Monco auf das hohe Kopfgeld abgesehen hat, will sich Mortimer an „El Indio“ rächen, weil dieser die Schwester des Colonel auf dem Gewissen hat. Für den mittleren Teil der späteren „Dollar“-Trilogie stand offensichtlich ein deutlich höheres Budget zur Verfügung, was sich nicht nur in einer komplexeren Handlung mit mehreren Schauplätzen sondern auch in der allerersten Bahn-Sequenz in einem Italo-Western bemerkbar machte. Womöglich bestärkten die Dreharbeiten zu David Leans Epos „Lawrence of Arabia“ in den Dünen südöstlich von Almeria den Entscheid Leones, für die Eröffnungssequenz anstelle der üblichen Postkutsche ebenfalls auf passendes Rollmaterial der Spanischen Staatsbahnen (RENFE) zurückzugreifen. EisenbahnDie erste Einstellung zeigt Colonel Mortimer im Zugabteil während der Bibel-Lektüre. Der Reisende gegenüber macht ihn beflissen darauf aufmerksam, dass dieser Zug nicht in Tucumcari halten wird, sondern bis Santa Fé durchfährt, worauf der Kopfgeldjäger ungerührt die Notbremse zieht. Das Glockensignal lässt den Lokführer eine Schnellbremsung durchführen, wobei der Heizer an der Handkurbelbremse des Tenders und der Bremser am Zugschluss an derjenigen eines Güterwagens mit Stammholz hantiert, so dass die Lok genau auf der Höhe des Wasserturms zu stehen kommt. Noch während der Kondukteur (Schaffner) wild gestikulierend über den Bahnsteig nach vorne stürmt, um das ratlos wirkende Lokpersonal wegen des unplanmäßigen Halts zur Rede zu stellen, wird plötzlich die Schiebetür des Gepäckwagens aufgestoßen, worauf Mortimer mit seinem Pferd den Zug über eine Viehrampe verlässt. Der Zug – ausrangiertes Rollmaterial der RENFEEisenbahn-Puristen dürften sich in dieser Szene wahrscheinlich daran stören oder zumindest darüber wundern, dass die Lok keine Vorlaufachse aufweist, mit einem zweiachsigen Tender gekuppelt ist und wie die Waggons mit europäischer Zug- und Stoßvorrichtung (Puffer und Schraubenkupplungen) ausgerüstet ist, derweil dahinter anstelle der US-typischen Drehgestellwagen durchwegs zweiachsige Fahrzeuge zu sehen sind. Der vermeintliche Westernzug entpuppt sich denn auch als breitspuriger Tren mixto (Personenzug mit Güterbeförderung) der RENFE. An der Spitze arbeitet mutmaßlich die einstmalige NORTE-Maschine 040-2169 (Dh2, Hartmann 1884) aus dem Depot Guadix, welche hier ihren ersten von schließlich über einem Dutzend Filmauftritten in Italo-Western (siehe dazu auch „Navajo Joe“) absolviert und dazu mit einem charakteristischen Schienenräumer (Cowcatcher) und einem riesigen Funkenfänger am Kamin ausstaffiert wurde. Hinter dem kurzen Schlepptender mit den aufgemalten Initialen U.P. & S.S.R folgen der mit „U.S. Mail“ beschriftete Gepäckwagen DV 61369 (ex NORTE, MFC 1927), drei ebenfalls hölzerne Sitzwagen 3. Klasse mit Bühneneinstiegen (ex MZA, La Brugeoise 1911 bis 1913) und ein Flachwagen, wobei die Garnitur in Wirklichkeit nicht mehr von Hand, sondern mittels Vakuumbremse angehalten wird. Der Drehort – Stichbahn der Alquife Mines & RailwayDie Aufnahmen entstanden auf der 12 Kilometer langen Stichbahn, welche damals noch bei Estación de La Calahorra von der ebenfalls eingleisigen Gebirgslinie Linares Baeza–Almeria abzweigte und in westlicher Richtung nach Alquife am Fuß der Sierra Nevada führte. Die schon längstens aufgelassene Trasse wurde ursprünglich am 26. Dezember 1899 von der Alquife Mines & Railway in Betrieb genommen, wobei die Stilllegung irgendwann in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre erfolgte. Die von den Marquesado-Minen nach Huéneja-Dólar führende Grubenbahn dürfte um 1907 gebaut worden sein und diente ausschließlich dem Transport von Eisenerz zum Hafen von Almeria. Auch die 1989 erfolgte Elektrifikation mit 3000 Volt Gleichstrom konnte nicht verhindern, dass am 17. Oktober 1996 der letzte Erzzug auf die Strecke ging. Das Intro mit der einsam in der staubigen Ebene gelegenen Bahnstation von Tucumcari (New Mexico) entstand im Streckenabschnitt nordöstlich von La Calahorra. Ein anno 1512 vollendetes Renaissance-Schloss thront weithin sichtbar auf dem Hügel über dem Städtchen und ist übrigens auch in der Einstellung, als Mortimer den Zug verlässt, am Horizont zu erkennen. Dagegen wurde der behelfsmäßig wirkende Wasserturm und die als Empfangsgebäude fungierende Bretterbude speziell für die Dreharbeiten zusammengezimmert, wobei die Kulissenbauten drei Jahre später maßgeblich erweitert auch für die berühmte Vorspann-Episode in Leones „C’era una volta il West“ (Italien/Spanien/USA 1968) Verwendung fanden. Das zwangsläufige Manko durch den Einsatz von europäischem Rollmaterial wird derweil durch eine äußerst prägnante Inszenierung wettgemacht, welche mit Jesús Guzmán als kauziger Fahrgast, Roberto Camardiel als redseliger Stationsvorsteher, Ricardo Palacios als mundfauler Barkeeper und José Terrón als steckbrieflich gesuchter Outlaw eine ganze Reihe von Charakterköpfen präsentiert, so dass die Eröffnungssequenz zu den besten in der Geschichte des Western gezählt werden darf. In der Provinz Almeria breitet sich die Wüste von Tabernas über einer Fläche von 280 Quadratkilometern aus, wobei deren Landschaftsbild einzigartig in Europa ist und an Gegenden im Südwesten der USA gemahnt. So wurden die in Tucumcari und später in El Paso spielenden Episoden dann in der Kulissenstadt von „Yucca City“ gedreht, die von Carlo Simi ebenfalls extra für diesen Film unweit der Ortschaft Tabernas aus dem Wüstenboden gestampft wurde und heutzutage als „Mini Hollywood“ vermarktet wird. Bereits im Jahr zuvor hatte Sergio Leone mit „Per un pugno di dollari“ (Italien/Spanien/Bundesrepublik Deutschland 1964) den ersten namhaften Italo-Western inszeniert, welcher nicht nur den Beginn eines neuen Subgenres markierte, sondern auch Clint Eastwood zum Weltstar machte.
Autor dieser Filmbesprechung: Manuel Gurtner; eine Bemerkung zum Titel des Films kam von Lothar Behlau
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