Eisenbahn im Film – Rail Movies |
Le train
Art: Spielfilm
Darsteller:
Inhalt
2. August 1944:
3. August 1944:
4. August 1944:
5. August 1944:
6. August 1944:
EisenbahnAllgemeinDie internationale Großproduktion gehört zu den markantesten Vertretern des Genres und ist in allen Belangen großartig, auch wenn gewisse Parallelen zu „La Bataille du Rail“ (Frankreich 1946) augenscheinlich sind. Inszeniert wurde im Winterhalbjahr 1963/64 mit einem heute kaum mehr vorstellbaren Aufwand. Großzügig stellten die Französischen Staatsbahnen (SNCF) ausgemustertes Rollmaterial, aufgelassene Rangierfelder und stillgelegte Streckenabschnitte zur Verfügung. Dadurch konnte eine bis dahin kaum gekannte Authentizität erreicht werden. In Verbindung mit der auch wegen der Schwarzweiß-Fotografie halbdokumentarisch wirkenden Handlung, die der Résistance in den Reihen der französischen Eisenbahner ein würdiges Denkmal setzt, durch eine hochkarätige Darstellerschar vorangetrieben wird und mit komplexen Kamerafahrten brilliert, resultierte ein Großerfolg an den Kinokassen. Nachfolgend wird detailliert auf die Aspekte betreffend Rollmaterial, Drehorte und die Handlung eingegangen. Die LokomotivenMit einer Ausnahme wurden ausgemusterte Vierzylinder-Schlepptendermaschinen der Reihe 230 B (Achsfolge 2C’h4, Typ 11s, ex EST-Serie 3501 bis 3890, Krauss-Maffei/Henschel/Blanc-Misseron/Franco-Belge, gebaut 1901 bis 1912) aus der SNCF-Region 1 (Ostregion) verwendet. Zuerst ist die 230 B 739 mit Heimatdepot Vaires beim Rangieren in den Seine-Docks von Saint-Ouen zu sehen, als Labiche zum konspirativem Treffen an Bord eines Lastkahns geht. Später wartet „Papa“ Boule auf einem Güterbahnhof im Pariser Quartier Maison-Blanche mit seiner schon etwas ramponiert wirkenden 230 B 517 vom Depot Noisy-le-Sec auf den Abfahrtsbefehl, um den Sonderzug nach Deutschland zu bringen. Dieser Güterzug diente während den Dreharbeiten jeweils auch dazu, die tonnenschwere Filmausrüstung von Drehort zu Drehort zu transportieren, die in einem Umkreis von 200 Kilometern verstreut lagen. Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei der jeweils gezeigten 230 B 517 (2’Ch4, Krauss-Maffei 1901) nicht in jeder Einstellung um die damals im Depot Belfort stationierte Vierzylindermaschine handelt. Jedenfalls ist der reguläre Einsatz auch vor internationalen Schnellzügen Paris–Bern/Interlaken im Abschnitt Belfort–Delle sowohl im August 1963 als auch im August 1964 dokumentiert – also ebenso für die Zeit nach den Dreharbeiten, was eine direkte Beteiligung an der spektakulären Kollision in „Rive-Reine“ ausschließen dürfte. Zudem sind die übergroßen Nummernschilder am Führerhaus und – ziemlich kurios – oberhalb der Pufferbohle der vermeintlichen 230 B 517 ein weiteres Indiz dafür, dass die Lok in den außerhalb der Ostregion gedrehten Einstellungen jeweils von einer baugleichen Schwestermaschine gedoubelt wurde. In der folgenden Übersicht werden alle aufgrund bisheriger Erkenntnisse verwendeten Loks aufgelistet. Mutmaßliche Informationen basieren auf dem farbigen Kurzfilm „Le rail et le cinema“ von Lucien Censier, der damals die Dreharbeiten im Auftrag der SNCF dokumentiert hatte, wobei im Vorspann die Front der im Anschluss hauptrevidierten 230 B 517 gezeigt wird:
Die DrehorteEiner der Gründe für den Luftangriff auf das Depot von Vaires ist der Artillerietransport von Major Herren. Bespannt mit Didonts Maschine verlässt der mit Kampfpanzern und schweren Haubitzen beladene Zug um 9.18 Uhr die Seine-Docks von Saint-Ouen. Es folgen von einem Hochhaus gefilmte Aufnahmen im Bereich der Avenue Michelet und auf der Höhe des Friedhofs Saint-Ouen sowie beim Unterfahren der Zufahrt zum Gare du Nord bei La Plaine. Beim Überqueren des Saint-Denis-Kanals in Richtung Pantin ist am Ende des Zuges eine Schiebelok zu erkennen. Um 9.45 Uhr trifft der Artillerietransport in Vaires ein, wo auf eine im Depot hinterstellte Panzerlok der Deutschen Wehrmacht umgespannt werden soll. Die von Labiche im Stellwerk 2 dirigierte Verzögerungstaktik beim Rangiermanöver zwischen Didont und Pesquet, wobei die Tabakpfeife von Leutnant Dietrich (Howard Vernon) eine besondere Rolle spielt, wird solange zelebriert, bis pünktlich um 10.00 Uhr die Sirenen losheulen, um vor dem unmittelbar bevorstehenden Luftangriff der RAF zu warnen. Später ist Boule mit von Waldheims Sonderzug auf der kleinen Pariser Gürtelbahn (Petite Ceinture) ebenfalls in Richtung Vaires unterwegs, nachdem die Garnitur mit der Raubkunst an Bord zuvor den Güterbahnhof Glacière-Gentilly verlassen hatte. Eine dieser aus heutiger Sicht bahnhistorischen Aufnahmen von der damals zwischen der Rue Brillat-Savarin und der Rue des Longues Raises vorhandenen Ortsgüteranlage zeigt die inzwischen ebenfalls verschwundene Passerelle zur Place de Rungis. Stichwort „Vaires“Die spektakulären Aufnahmen, teilweise aus dem Helikopter gefilmt, entstanden im Oktober 1963 am Originalschauplatz im Betriebswerk Vaires-sur-Marne. Dabei kommen mehrmals auch Mikado-Schlepptenderloks der Reihe 141 R (1’D1’h2) ins Bild, welche aber erst nach Kriegsende von nordamerikanischen Fabriken im Rahmen des Marshallplans an die SNCF gelangten. Beim vergeblichen Versuch Labiches, den Sonderzug zu stoppen, passiert die 230 B 517 von „Papa“ Boule einen entgleisten Niederbordwagen, der halb umgekippt quer zum Gleis steht. Ein Hinweis darauf, dass diese aus dem Führerstand gefilmte Einstellung bereits auf dem aufgelassenen Rangierfeld von Gargenville im Westen von Paris entstand, wo die verheerenden Zerstörungen des anschließenden Luftbombardements mit großem Aufwand nachgestellt wurden. Die Trickspezialisten um Lee Zavitz (siehe auch das Extra-Info „Around the World in 80 Days“) ließen angeblich gegen 150 TNT-Sprengsätze detonieren, um beispielsweise den Artillerietransport samt Panzerlok wirkungsvoll in die Luft jagen zu können. Zudem wurde das Stellwerk 2 von Vaires originalgetreu nachgebaut, welches in der Folge durch einen Volltreffer zerstört wird. Als historisches Vorbild diente der RAF-Luftangriff vom 29. März 1944, dem im Juni und Juli weitere fünf Bombardierungen folgten. Stichwort „Spitfire“Auf dem Rückweg von Vaires nach Rive-Reine wird die reparierte 230 B 517 wie erwähnt von einer „Spitfire“ der RAF angegriffen. Diese dramatische Episode wurde zum Teil aus dem Kampfflugzeug heraus gefilmt, welche im Gebiet des Forêt de la Londe aufgenommen wurde. Das in einem weiten Talkessel gelegene und dazumal nahezu unerschlossene Waldgebiet wurde damals von mehreren Bahnlinien durchquert, welche ein bemerkenswertes Ensemble an Kunstbauten aufwiesen. Entlang der Talsohle verläuft noch immer als Teil der Hauptbahn Paris–Oissel–Cherbourg über eine lange Rampe der nach wie vor nicht elektrifizierte Streckenabschnitt zwischen Orival und Glos-Montfort, wobei der Tunnel d’Orival (Länge 404 m), der Tunnel de Beauval (Länge 101 m) und der Tunnel de la Londe (Länge 77 m) durchfahren werden. Die zweigleisige Strecke wurde damals in Nord-Süd-Richtung von der Nebenlinie Rouen–Louviers–Bueil überquert, welche 1965 teilweise aufgelassen wurde und inzwischen nur noch sehr spärlichen Güterverkehr aufweist. Die eingleisige Strecke unterfährt zuerst unweit der Schlossruine von Robert le Diable die Nordflanke des urwaldähnlichen Forsts im Tunnel de Maredote (503 Meter), traversiert die Talsenke auf dem Viaduc de La Londe (Länge 90 Meter, sieben Pfeiler) und mündet dann in den Tunnel du Pavillon (Länge 1299 m), welcher in südöstlicher Richtung nach Elbeuf führt. Das zur Zeit der Dreharbeiten noch vorhandene zweite Gleis im Tunnel gehört zur Verbindungslinie Moulineaux–La Londe, die damals vor allem als Güterumgehungsbahn zwischen Rouen-Triage und der Hauptbahn von und nach Cherbourg fungierte und diese auf dem imposanten Viaduc des Longs Vallons (Länge 260 Meter, 17 Pfeiler) überquerte. Die erste Einstellung zeigt eine der als 230 B 517 maskierten Maschinen auf der gewaltigen Steinbogenbrücke, in Richtung La Londe fahrend, wobei die Kamera auf dem Viaduc de la Londe postiert wurde, was doch erstaunt, wenn man sich die Streckenführung vergegenwärtigt. Als Pesquet die Spitfire entdeckt, befindet sich ihre Lok nämlich im Streckenabschnitt zwischen Maredote- und Pavillon-Tunnel und ist in Richtung Rouen unterwegs. In einer der aus dem Cockpit der Spitfire gedrehten Aufnahmen ist zu sehen, wie die 230 B 517 über den Viaduc de la Londe jagt. Derweil ist am linken Bildrand der Viaduc des Longs Vallons zu erkennen, dessen Gleis parallel verlaufend ebenfalls im Maredote-Tunnel verschwindet, und wohin sich Labiche, Didont und Pesquet in höchster Not retten können. Am nördlichen Tunnelportal ist dann im Hintergrund die Bahnstation von Moulineaux zu erkennen, welche den Reiseverkehr bereits 1940 verloren hatte. Stichwort „Rive-Reine“An der von der einstmaligen Französischen Westbahn (OUEST) zwischen 1873 und 1885 in Etappen eröffneten Nebenlinie Rouen–Louviers–Bueil (SNCF-Region 3) liegt auch der Bahnhof Acquiny, welcher als Kulisse für das fiktive „Rive-Reine“ fungierte – der eigentliche Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Von hier nimmt der Sonderzug einen zweiten Anlauf in Richtung Deutschland, wobei die nächtliche Durchfahrt durch Châlons-sur-Marne in Wirklichkeit den überdachten und entsprechend umbeschrifteten Inselperron von Louviers zeigt, dessen Bahnhof offensichtlich auch als Drehort für die Bahnsteig-Szene von Commercy fungierte. In der folgenden Übersicht werden die fahrplanmäßige Route, der eigentliche
Laufweg des Zuges sowie die tatsächlich existierenden Streckenabschnitte einander gegenübergestellt:
Stichwort „Zweibrücken“Bis 1945 war die Stadt Sarreguemines (Saargemünd) über die zweigleisige Bliestalbahn (via Gersheim und Blieskastel) mit Zweibrücken verbunden. Aufgrund massiver Kriegsschäden verkehrten die Züge anschließend nur noch bis Bliesbruck (Bliesbrücken), weshalb die SNCF ihren Streckenteil anno 1954 stilllegten. Eine Inszenierung auf der Originalstrecke in Richtung Metz kam nur schon deshalb nicht in Betracht, weil die vom Pariser Ostbahnhof ausgehende Elektrifizierung mit Einphasen-Wechselstrom (25 kV/50 Hz) bereits bis Metz vorgedrungen war. Die für die nächtlichen Dreharbeiten verwendeten Streckenabschnitte während der „Rundreise“ des Sonderzuges konnten bisher nur punktuell verortet werden, fanden aber offensichtlich auch in der SNCF-Region 1 nordwestlich von Troyes statt. Als Drehort für den Bahnhof Vitry, der gemäß der Handlung zum deutschen Grenzbahnhof Zweibrücken umgeschildert wird, konnte zweifellos der Bahnhof von Provins an der Nebenbahn Longueville–Esternay identifiziert werden. Der Zug fährt dabei in Richtung Longueville und passiert auf Gleis 1 das damals noch hölzerne Empfangsgebäude, welches ursprünglich als Provisorium gedacht war, aber erst 1978 einem Neubau weichen musste. Stichwort „Blockade“In Acquiny wurde Mitte Oktober 1963 auch die spektakuläre Kollision inszeniert, indem die ursprüngliche OUEST-Schlepptenderlok 030 C 757 zuerst unmittelbar vor dem beschrankten Bahnübergang an der westlichen Bahnhofseinfahrt zum Entgleisen gebracht und in der Folge von der früheren EST-Schlepptendermaschine 230 B 616 – maskiert als 230 B 517 – gerammt wird. Mehrere der dabei eingesetzten ferngesteuerten Kameras gingen zu Bruch, weil die Wucht des Zusammenpralls unterschätzt worden war. Beeindruckend ist aber auch das zuvor durchgeführte Manöver von Labiche und Didont, nachdem die beiden zuerst den im Führerstand wachhabenden Wehrmachtsoffizier Schwartz (Donald O'Brien) ziemlich unsanft losgeworden sind. Danach klettert Albert Rémy höchstselbst über den Schlepptender 22 A 886 und löst bei einer Geschwindigkeit von etwa 60 Stundenkilometern die Schraubenkupplung zwischen Lok und erstem Güterwagen. Burt Lancaster im Führerstand bremst kurz an, damit Rémy den Kupplungshaken aushängen kann und beschleunigt die Maschine wieder, um sich so rasch von der Wagengarnitur abzusetzen. Gedreht wurde die nicht ungefährliche Sequenz ohne Stuntmen bei Fountaine-Heudebourg im Streckenabschnitt zwischen Pacy-sur-l’Eure und Acquiny, worauf Labiche und Didont auf der Höhe des Fußgängerstegs bei Heureville-sur-l’Eure abspringen und über den Fluss entkommen. Kurze Zeit später passiert die 230 B 517 unter Volldampf die Eure-Brücke nördlich von Acquiny, gefolgt vom Sonderzug, der inzwischen führerlos über die Stahlgitterkonstruktion rumpelt und Minuten später – inzwischen nur noch im Schritttempo – auf die beiden verkeilten Loks im Bahnhof aufläuft. Abschließend prallt die von Pesquet zuvor verlassene 230 B 855 in den am Schluss des Sonderzuges eingereihten Begleitwagen in Form eines SNCF-Zweiachsers mit Laternendach. In der Schlusseinstellung steht der Sonderzug verlassen nahe Vaux-sur-Eure im Streckenabschnitt Ménilles–Chambray, wo die heutige Hauptstraße D836 unmittelbar oberhalb der Trasse verläuft. Neben der entgleisten 230 B 711 liegen die ermordeten Zivilisten, dahinter die entlang der Böschung verstreuten Kisten – darin berühmte Gemälde von Gauguin, Renoir, Van Gogh, Manet, Picasso, Degas, Miró, Cézanne, Matisse, Braque, Seurat, Utrillo...
Autor dieses Beitrags: Manuel Gurtner
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