Eisenbahn im Film – Rail Movies |
Death Train
Art: TV-Produktion
Titel-Angaben, notiert von JB nach der am 19.12.1995 von Pro 7 ausgestrahlten deutsch synchronisierten Fassung (Versalien des Vorspanns hier nicht verwendet):
InhaltKurz nach der formellen Auflösung der Sowjetunion zu Beginn der 1990er Jahre: Der russische General Konstantin Benin (Christopher Lee) will die UdSSR mit Hilfe eines internationalen Komplotts in alter militärischer Stärke auferstehen lassen, weshalb er von Dr. Karl Leitzig (John Abineri) – ein Kernphysiker aus der ehemaligen DDR – zwei Atombomben bauen lässt, welche von Benin durch Fernzündung zur Explosion gebracht werden können. Nachdem der Frachtzug „4402“ aus Bremen durch ein Söldnerkommando gekapert und das Zugspersonal als Geiseln genommen worden ist, wird einer der atomaren Sprengsätze an Bord des Güterzugbegleitwagens gebracht. Anschließend verlangt der Anführer der Geiselnehmer – ein US-Amerikaner namens Alex Tierney (Ted Levine) – freie Fahrt nach dem Irak. Dies wiederum ruft Malcolm Philpot (Patrick Stewart) von der fiktiven „UNACO“ (United Nations Anti-Crime Organization) auf den Plan, welcher mit Hilfe einer mobilen Eingreiftruppe um Mike Graham (Pierce Brosnan) die Geiselnehmer außer Gefecht setzen und den Nuklearsprengsatz entschärfen soll. Die TV-Produktion für das US-Kabelfernsehen wurde zuerst unter dem Titel „Alistair MacLean's Death Train“ propagiert und später als „Detonator“ auch für den Videomarkt lanciert.
EisenbahnDen Rest dieser völlig abstrusen Story aus der Feder des Bestsellerautors Alistair MacLean (siehe auch „Breakheart Pass“) kann man sich getrost ersparen. Trotzdem soll nachfolgend auf die eisenbahnspezifischen Aspekte eingegangen werden. Die Route – Von Bremen nach BeogradDie Abfolge der befahrenen Streckenabschnitte auf der Route Bremen–Belgrad (gemäß der Handlung via Stuttgart – Zürich – St. Moritz – „Tirano-Tunnel“ – Bolzano 1) – Gorizia – Zagreb) krankt wie so oft bei anglo-amerikanischen Drehbuchautoren am Unvermögen, die in Europa geltenden politischen Fakten, geographische Gegebenheiten sowie eisenbahntechnische Gesichtspunkte richtig deuten und authentisch umsetzen zu können. Gleichzeitig ist jeweils der Hang zur ärgerlichen – weil zumeist unsinnigen und auch finanziell nicht immer gerechtfertigten – Simplifizierung auszumachen, welche anhand einschlägiger Beispiele wie „Von Ryan's Express“ (1965), „The Cassandra Crossing“ (1976) oder „Avalanche Express“ (1978) festzustellen ist. Mitunter werden die im US-amerikanischen Transkontinentalverkehr durchaus tauglichen Praktiken kurzerhand auf den europäischen Fernverkehr umgemünzt. So kann im Film „Death Train“ beispielsweise in einem ominösen Stellwerksbunker irgendwo in der Bundesrepublik ein gewisser Sigi (Vili Matula) computergestützt nicht nur sämtliche Weichen zwischen Nordsee und Adria steuern, sondern er bekommt via Stellbild auch noch das allerletzte Stumpfgleis am italienischen Südportal des „Tirano-Tunnel“ angezeigt. Unter Berücksichtigung der eisenbahntechnischen Fakten wie auch der staatspolitischen Aspekte – und demzufolge unter Auslassung der neutralen Schweiz 2) –, wäre in Anbetracht der Filmhandlung in etwa folgende Routenwahl denkbar: ab Tuttlingen über die Bodensee-Gürtelbahn (Kursbuchstrecke 731) nach Feldkirch, via Arlbergbahn nach Innsbruck, via Brennerbahn nach Trento (Trient), via Valsuganabahn nach Gorizia beziehungsweise Nova Gorica und ab Sezana weiter auf der klassischen Route des ehemaligen „Simplon–Orient Express“ bis nach Belgrad.
Der Tunnel – Fiktion...Wie schon im Finale von Mark Robsons „Von Ryan’s Express“ – dazumal noch in umgekehrter Richtung und über den Maloja-Pass – durchquert ein normalspuriger Güterzug den Schweizer Kanton Graubünden, ohne sich um die wesentliche Tatsache zu kümmern, dass die SBB-Geleise bereits im Kantonshauptort Chur enden und demzufolge spätestens dort auf die meterspurige Rhätische Bahn (RhB) gewechselt werden muss. Den Gipfel des Humbugs stellt jedoch der fiktive Tirano-Tunnel 3) dar, dessen Nordportal angeblich bei Campascio an der Bernina-Linie 4) der RhB von St. Moritz nach dem italienischen Tirano 5) zu suchen ist. Demzufolge müsste sich das Südportal unweit von Trento (Trient) im Südtirol befinden.
... und Realität zugleichDie Fahraufnahmen auf offener Strecke entstanden durchwegs auf nicht elektrifizierten Nebenlinien in Slowenien, welche bisher nicht weiter verifiziert werden konnten. Die Szenen im und am „Tirano-Tunnel“ wurden mutmaßlich auf der Podbrdo-Linie 6) zwischen Jesenice und Nova Gorica gedreht, wobei der 6339 Meter lange Kobla-Tunnel (Eröffnung 1905) und dessen Nordportal bei Bohinjska Bistrica als Kulisse gedient haben dürften. Bei den Szenen im Stollen wird offensichtlich, dass das Tunnelgewölbe ursprünglich für den zweigleisigen Betrieb ausgelegt worden war. In der Tat projektierte die damalige österreichische Bauunternehmung G. von Ceconi aus geologischen Gründen zwei eingleisige Parallelstollen, entschied sich aber anhand von Probebohrungen schließlich für die kostengünstigere Variante eines Tunnels für zwei Gleise. Im Laufe der 1960er Jahre wurde eines der beiden Tunnelgeleise zurückgebaut, weshalb die 96 Kilometer lange Podbrdo-Linie seitdem durchgehend eingleisig ist. Unklar bezüglich des Drehortes bleibt auch die auf dem überdachten Hausbahnsteig von „Belgrad“ spielende Szene, wobei es sich um einen mittelgroßen Bahnhof – soweit gesehen ohne Inselbahnsteig – unter Fahrdraht mit 3000 Volt Gleichstrom 7) handelt. Anhand der im Hintergrund befindlichen Abstellanlage käme bespielsweise der Knotenpunkt Divaca 8) an der elektrifizierten Hauptstrecke (Trieste–) Sezana–Ljubljana (–Zagreb) in Frage. Demzufolge wurde die Stationstafel für die Dreharbeiten abgedeckt mit dem kyrillischen Schriftzug NEPOH I, was „Bahnsteig 1“ bedeutet.
Der ZugDer aus Bremen kommende Güterzug „4402“ setzt sich wie folgt zusammen: Vorneweg läuft die Streckendiesellok 642-186 (Achsfolge Bo’Bo’; außen am Rahmen jedoch beschriftet: „94 72 3 642 187-3“, im Führerhaus: „A-III-041“) der slowenischen SZ mit Spitznamen „Durica“ – die zweite Serie wurde ab 1961 von der Maschinenfabrik Duro Dakovic in Slavonski Brod (Kroatien) geliefert. Für die Dreharbeiten wurde die Lok mit einem Bundesbahn-Emblem versehen, ohne dass sie jedoch irgendein DB-Vorbild hätte. Hinter ihr sind zwei grüne Packwagen der SZ eingereiht, die dem dem Typ Daa 93 (zweiachsig) der ehemaligen JZ ähneln. Sie tragen ebenfalls ein Bundesbahn-Logo, wobei einer der beiden Waggons auf dem Dach eine Art Gitterlaufsteg aufweist. Bemerkenswert ist auch, dass die Lok während der gesamten Fahrt von Bremen nach Belgrad nie Treibstoff zapfen muss. Bei der erwähnten Episode am Südportal des „Tirano-Tunnel“ ist außerdem die Rangierdiesellok 732-203 (Achsfolge C) der slowenischen SZ zu sehen. Die Lieferung der zweiten Serie dieser Baureihe erfolgte ab 1970 von Duro Dakovic als Lizenznehmerin der Jenbacher Werke, notabene mit FS-Logo und als FS-Baureihe 245.6 gedacht.
Autor dieser Filmbesprechung: Manuel Gurtner
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